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Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass im Tiroler Bergdrama des Februar 2019 allerlei Getier die Hauptrolle spielt: Kühe, die sich nicht von Wanderern und Hunden stören lassen wollen, hier; schwarze Schafe, die das Dopen nicht lassen können, dort. So unterschiedlich die Fälle sind, die das Alpenidyll verdüstern, in den Reaktionen auf beide fällt gleichermaßen häufig das Wort "Eigenverantwortung".
Nun ist aber nicht alles, was hinkt wie ein lahmender Paarhufer, auch ein passender Vergleich. Sportler sind eben keine Wanderer, die nach eigenem Gutdünken ihre Wege ziehen. Sie sind eher Hamster in einem Rad, das sich Spitzensport nennt, vorgegeben von Verbänden, Sponsoren, Politik, Medien und Fans.
Das entschuldigt kein Fehlverhalten; die Wut derjenigen, die sich betrogen fühlen, ist nachvollziehbar. Viel Schweiß, Herzblut und Geld wurde in die nordische Ski-WM gesteckt, um werbewirksame Bilder in die Welt zu senden. Diese werden nun kontrastiert von solchen, auf denen Polizeiautos vorfahren - ganz zu schweigen von jenen, die die Ermittler heraufbeschwören, indem sie von einem Sportler berichten, der gerade eine Nadel im Arm stecken hatte.
Der Imageschaden ist enorm, die letzte Konsequenz nicht absehbar. In seinem Furor kündigte Skiverbands-Präsident Peter Schröcksnadel an, sich vom Bereichsleiter Markus Gandler (dem er kein Fehlverhalten unterstellt) zu trennen, im Raum steht gar der Rausschmiss des Langlaufs aus dem ÖSV. Beides scheint verständlich, ist aber unzulänglich. Ersteres hieße ohne weiterreichende strukturelle Änderungen nur, neue Köpfe im alten System werken zu lassen. Zweiteres würde bedeuten, eine ohnehin schlechtergestellte Sparte weiter ausbluten zu lassen.
Dabei ist der Langlauf - sieht man von den unstrittigen Problemen an der Spitze ab - jene Sportart innerhalb des ÖSV-Spektrums, die für die Breite hinsichtlich der Faktoren Gesundheit, Umwelt- und Klimaschutz sowie Kosten am ehesten zur Nachahmung empfohlen ist. Man muss kein passionierter Langläufer sein, man braucht die Aktionen der Athleten nicht schönzureden, aber diese Aspekte sollten nicht untergehen. Doch eine sinnvolle Diskussion scheint kaum möglich. Stattdessen kommt eine Attitüde zum Ausdruck, die mehr Teil vieler Probleme ist, als dass sie zu deren Lösung beitragen würde; man hat sie in den unterschiedlichsten Ausprägungen zuletzt oft vernommen. Sie lautet: "Unsere heilige Kuh ÖSV lassen wir uns von niemandem angreifen"; nicht von Klimaschützern, nicht von Frauen, die von Missbrauch sprechen - und schon gar nicht von verirrten schwarzen Schafen.