In der schwarzen Bevölkerung des Staates Florida herrscht immer noch Aufregung über das Wahldebakel von 2000 - eine Wut, die diese wichtige Gruppe für die anstehende Wahl besonders zu motivieren scheint. Damals erhielt George W. Bush offiziell 537 Wahl entscheidende Stimmen mehr als sein Kontrahent Al Gore, wobei nach Ansicht von Bürgerrechtsorganisationen tausende schwarze Stimmen unter den Tisch fielen.
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Sonya Arnold ist mit ihrer Ausbeute zufrieden. Zwei Stunden ist die Helferin der schwarzen US-Bürgerrechtsorganisation NAACP im Armenviertel Liberty City in Miami von Tür zu Tür gegangen, hat tropische Hitze, kläffende Hunde und misstrauische Blicke durch vergitterte Fenster ertragen, um Wähler für den 2. November zu registrieren. Am Ende stehen fünf Namen auf ihrer Liste. Das mag nicht viel erscheinen - aber viele seien bereits für die Präsidentschaftswahl angemeldet gewesen, und das sei "ein gutes Zeichen", sagt die 38-jährige Ärztin.
Mehrheit für Demokraten
Viele Afroamerikaner, die vor vier Jahren noch der Wahl fern geblieben seien, hätten sich diesmal eingetragen, berichtet Arnold. Getrieben würden die Leute nicht nur vom Zorn über die Geschehnisse vor vier Jahren, als nach Angaben von Bürgerrechtsorganisationen bei der hauchdünnen Entscheidung in Florida tausende schwarzer Stimmen unter den Tisch fielen. Entscheidend sei auch die Unzufriedenheit mit Präsident George W. Bush, unter dem sich die Lage etwa im Bildungswesen und auf dem Jobmarkt verschlimmert habe. Der anscheinend hohe Mobilisierungsgrad in der schwarzen Bevölkerung ist ein potenzieller Vorteil für Herausforderer John Kerry. Denn traditionell stimmt diese Bevölkerungsgruppe in ihrer großen Mehrheit für die Demokraten.
Das offizielle Ergebnis von 2000, wonach Bush im Ausschlag gebenden Florida mit 537 Stimmen Vorsprung gegen Al Gore gewann, wurde von vielen Afroamerikanern nie akzeptiert. Bürgerrechtler protestierten damals, dass Schwarze nicht nur am stärksten unter den Problemen mit defekten Lesegeräten und verwirrenden Stimmzetteln zu leiden gehabt hätten. Auch gab es viele Beschwerden, dass potenzielle afroamerikanische Wähler von der Polizei eingeschüchtert und zu Unrecht von Wahlhelfern nach Hause geschickt worden seien.
Misstrauen
Auch in diesem Jahr gibt es viel Misstrauen unter den Afroamerikanern, dass das Ergebnis manipuliert werden könnte. Die hochmodernen Wahlcomputer, die in 15 Landkreisen in Florida eingesetzt werden, liefern keinen Ausdruck der Stimmabgabe, so dass der Wähler die korrekte Verzeichnung seiner Stimme nicht kontrollieren kann.
Misstrauen erregt unter den Schwarzen auch ein Gesetz in Florida, das Straftäter von der Wahl ausschließt. Vor vier Jahren wurde dafür eine Namensliste verwendet, die voller Fehler war - selbst unbescholtene Bürger wurden nicht zugelassen, unter ihnen laut NAACP ein überproportionaler Anteil von Afroamerikanern. Dieses Jahr zog die vom Präsidentenbruder Jeb Bush geführte Regierung des Bundesstaates eine ähnliche Liste erst nach Protesten zurück. Die Wahlleiter in den einzelnen Landkreisen bleiben aber verpflichtet, Straftäter fernzuhalten - wie sie es tun, liegt nun in ihrem eigenen Ermessen.
Unzufriedene mobilisiert
Ihre Skepsis scheint die meisten Afroamerikaner nicht von der Wahlteilnahme abzuhalten. "Ich bin scharf darauf, abzustimmen", sagt der Maurer Carl Mapp, der sich auf der Straße in Liberty City von Arnold seinen Antrag zur Registrierung als Wähler ausfüllen lässt. Er redet sich in Rage über Bush. Der verschleudere Geld im Irak, während zu Hause Menschen auf Pappkartons auf der Straße schlafen müssten. Auch der arbeitslose John Anthony, der auf einem Stuhl am Vorgartenzaun die Zeit totschlägt, will wählen. Vor vier Jahren durfte er nach eigenen Worten nicht, weil er wegen Drogenbesitzes 15 Monate im Gefängnis war. Ein Begnadigungsschreiben ermögliche ihm diesmal die Teilnahme. Bush habe "seine Versprechen nicht gehalten", findet auch Anthony. Seine Hoffnung ist, unter dem Demokraten John Kerry wieder einen Job zu finden. AFP