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Hände weg vom Abtreibungsgesetz: Die Debatte um ein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen treibt polnische Frauen auf die Straße.
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Schwarz ist die Farbe des Protests. Zum "schwarzen Montag" haben Polens Frauen den 3. Oktober ausgerufen. Im Internet deklarieren zigtausende von ihnen, die Aktion zu unterstützen und anstatt in die Arbeit zu gehen zu streiken. Sie demonstrieren gegen Pläne zur Verschärfung des Abtreibungsgesetzes, das sowieso schon zu den strengsten in Europa gehört. Der Eingriff ist in Polen nur dann erlaubt, wenn die Gesundheit oder das Leben der Frau in Gefahr ist, das Kind unheilbar - und lebensbedrohlich - krank wäre oder die Schwangerschaft das Ergebnis eines Verbrechens ist. Soziale Umstände geltend zu machen, ist hingegen mit etlichen bürokratischen Mühen verbunden.
Diese Regelung, vor gut 20 Jahren als Kompromiss zwischen einflussreichen konservativen Kreisen und jenen, die sich für Frauenrechte einsetzen, ausgearbeitet, soll nun gekippt werden - zumindest, wenn es nach einer Bürgerbewegung geht, die die nötigen Unterschriften für ein Gesetzesprojekt gesammelt hat. Vor einigen Tagen hat der Sejm, das Parlament in Warschau, die Initiative zur weiteren Bearbeitung angenommen, und schon in der kommenden Woche könnte er darüber abstimmen. Der Entwurf, eingebracht von Abtreibungsgegnern der "Pro Life"-Bewegung sowie radikalkatholischen Organisationen, sieht ein völliges Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen vor. Strafen dafür würden nicht nur die Ärzte, sondern auch die Frauen treffen. Der letzte Punkt wird allerdings nicht einmal in der katholischen Kirche goutiert.
Doch selbst die nationalkonservative Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) ist mit der neu entfachten Abtreibungsdebatte nicht glücklich. Sie weiß nämlich, dass ein Großteil der Bevölkerung den sogenannten Kompromiss sehr wohl aufrechterhalten will. Und darunter fanden und finden sich immer wieder auch Personen, die der Fraktion von Jaroslaw Kaczynski nahestehen. Denn es ist nicht der erste Versuch, das Gesetz zu ändern. Vor fast zehn Jahren schaltete sich in die Diskussion Kaczynskis Schwägerin, die Frau seines Zwillingsbruders und damaligen Staatspräsidenten Lech Kaczynski ein. Maria Kaczynska unterzeichnete einen Appell gegen die Verschärfung der Abtreibungsregeln mit. Nun ist es ihre Tochter Marta Kaczynska, die sich für die Beibehaltung des legalen Schwangerschaftsabbruchs ausspricht. Ein Verbot wäre eine "grausame Lösung", befand sie.
Da zeigt sich die Frau an der Regierungsspitze zurückhaltender. Ohne Stellung nehmen zu wollen, sprach Premier Beata Szydlo lediglich von "schwierigen Entschlüssen". Klarere Worte fand sie da für ihre Reaktion auf die Entscheidung des EU-Parlaments, kommende Woche eine Debatte zu Polen abzuhalten: Die EU sollte sich "relevanten" und keinen "Ersatz-Themen" widmen.
Unterdessen rufen die protestierenden Frauen rund um liberale Bürgerbewegungen und Frauenrechts-Aktivistinnen zu Märschen, Versammlungen, Spaziergängen am Montag auf. Sie knüpfen an eine Aktion in Island an, wo sich fast alle Frauen einer Demonstration für Gleichberechtigung und gerechten Lohn angeschlossen hatten. Das war vor vierzig Jahren. Polnische Frauen sehen sich auch jetzt noch gezwungen, um ihre Rechte zu kämpfen.