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Schwarzer Schwan beim Pferderennen

Von Barbara Ottawa

Wirtschaft
Barbara Ottawa ist freie Journalistin und berichtet vorwiegend über Investitionen und Pensionskassen.

Investmentexperten sind sich einig, dass die Finanzkrise des vergangenen Jahres einzigartig war - aber wurden wirklich alle Anlageprinzipien über den Haufen geworfen?


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"Verkaufe im Mai und kaufe nicht wieder vor dem St. Legers Tag", war eine der "Bauernregeln" am Kapitalmarkt, die im vergangenen Jahr überhaupt nicht angewendet werden konnten. Ende September findet in Großbritannien seit 1776 ein Pferderennen statt, das den Namen von seinem Initiator, dem Politiker Anthony St. Leger hat. Die Sportveranstaltung hat an sich nichts mit den Kapitalmärkten zu tun, aber der Spruch entstand aus der Beobachtung, dass über die Sommermonate viele Investoren Urlaub machen und dadurch die Aktivitäten an den Börsen und mit ihnen auch die Preise gefallen sind.

Langzeitstudien belegen, dass in vielen Fällen - je nach Studie 50 Prozent oder mehr - die Aktienmärkte im Sommer schlechtere Erträge erzielten als über den Rest des Jahres. Allerdings hat im heurigen Jahr zum Beispiel die Londoner Börse zwischen April und Oktober um 20 Prozent zugelegt.

Die Frage ist, ob das die Ausnahme zu einer ansonsten weiterhin gültigen Regel ist, ob die St.-Legers-Regel ohnehin nie gestimmt hat oder ob sich nach dem Auftauchen eines "schwarzen Schwans" - also eines extrem seltenen Ereignisses - die Kapitalmärkte völlig verändert haben.

"Die meisten Ereignisse auf den Kapitalmärkten sind durch menschliche Psychologie beeinflusst, nicht durch äußerliche Umstände," erläuterte der Nobelpreisträger Robert J. Shiller vor kurzem bei einer Konferenz. Er nennt das "animal spirit", wodurch ein "Herdentrieb" zustande kommt. Dieses Verhaltensmuster sei an den Immobilienmärkten während und nach der Krise stärker festzustellen gewesen als jemals zuvor.

Info-Flut als Verstärker

Seine Theorie, dass die Kapitalmärkte nicht vom Denken eines rationalen "Homo Oeconomicus" gesteuert werden, brachte ihm schon 2001 den Nobelpreis ein. Der Trend nehme aber weiter zu. Als Gründe werden von Analysten die stetig steigende Informationsflut und vor allem die erhöhte Geschwindigkeit des Nachrichtenaustausches genannt. Tatsächlich verstärkt sich nach einer Krise zunächst die Volatilität, also die Schwankungen an den Märkten: Investoren befürchten bei jeder negativen Nachricht einen neuerlichen Einbruch oder eine deutliche Erholung, wenn eine positive Information bekannt wird. Je mehr solcher Nachrichten in immer kürzeren Abständen an die Öffentlichkeit gelangen, desto mehr sehen sich Anleger versucht, kurzfristige Änderungen in ihrem Portfolio vorzunehmen.

Eine Untersuchung zeigte, dass man an den Aktienmärkten eigentlich am besten daran getan hätte, die vergangenen 21 Monate zu verschlafen - sich also im Frühjahr 2007 hinzulegen und erst im Herbst 2009 wieder aufzuwachen.

Das würde eigentlich für die St.-Leger-Regel sprechen, die in den USA übrigens "Halloween Indikator" heißt, weil man über dem großen Teich früher ein bisschen länger gewartet hat, um wieder zu investieren. Allerdings wäre dann ein Zwei-Jahres-Rhythmus gültig. Auch diese Theorie wird von Forschern vertreten, aber hundertprozentig sichere Voraussagen gibt es in der Finanzwelt nicht.

Zu Bedenken bleibt, dass groß angelegte Aktienverkäufe auch Verwaltungskosten mit sich ziehen, die in den Ertrag mit eingerechnet werden müssen. Unwahrscheinlich ist, dass die Krise das Anlegerverhalten völlig verändern wird, auch wenn ein Banker bei einer Konferenz unlängst zum Erstaunen des Publikums Marx zitiert hat: "Hegel bemerkt irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen." Er hat vergessen, korrekterweise hinzuzufügen: "Das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce."