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Schwarzer Tag für die Schwarzen

Von Markus Kauffmann

Analysen

CSU muss lernen, Macht zu teilen. | Überraschung durch Freie Wähler. | Berlin/München. Zwar hat die CSU alle Direktmandate bis auf zwei geholt, zwar träumen andere Parteien von einem 43-Prozent-Ergebnis, zwar ist der Abstand zur zweitstärksten Partei mit rund 25 Prozent immer noch enorm, zwar fehlen der CSU zur absoluten Mehrheit nur drei Mandate - und dennoch ist das Abschneiden der bayerischen Christsozialen bei der Landtagswahl am Sonntag ein Desaster von historischem Ausmaß.


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Zum ersten Mal nach einem halben Jahrhundert ist die bayerische Schwester der CDU auf einen Koalitionspartner angewiesen. "Die Wähler wollen zwar weiter von der CSU regiert werden, aber eben nicht mehr allein", kommentiert der niedergeschlagene Ministerpräsident Günther Beckstein den Absturz seiner Partei von 60 auf 43 Prozent. Und fügt hinzu, dass er im Amt bleiben und "in den sauren Apfel" beißen wolle, sich einen Koalitionspartner zu suchen.

Waren bisher nur CDU, SPD und Grüne im Maximilianeum, dem Landtagssitz, vertreten, so wird das neue Parlament bunter: Die FDP zieht mit ihrem bisher besten Ergebnis ebenso ein wie die Freien Wähler, ein Verband parteiungebundener Kommunal- und Bezirkspolitiker, für den unter anderen die CSU-Rebellin Gabriele Pauli kandidiert hatte. Sie hatte vor einem Jahr den Sturz Edmund Stoibers eingeleitet.

Die Freien Wähler sind die größten Gewinner dieser Wahl. Sie haben der Regierungspartei CSU 230.000 Wähler abgenommen und sind zum ersten Mal im Landtag verteten.

Das katastrophale Ausmaß der CSU-Verluste hat nicht nur die Funktionäre, sondern auch die Presseleute, vor allem aber die Demoskopen "kalt erwischt". Sie alle lagen in ihrer Einschätzung völlig daneben.

Die CSU wird lernen müssen, die Macht in der Regierung, in den Ämtern und im parlamentarischen Getriebe zu teilen. Eine ungewohnte Rolle für die Partei, die sich allzu gern mit dem gesamten Freistaat gleichsetzte. (Beckstein: "Ein anständiger Bayer wählt CSU.") Dabei steht die FDP ganz vorne an, die sich schon im Wahlkampf dazu bereit erklärt hatte. Doch wird sie peinlich darauf achten, ihren Einzug ins Landesparlament durch eine deutliche Profilierung gegenüber dem Seniorpartner abzusichern. Möglich wäre auch ein Zusammengehen mit den Freien Wählern. Als ziemlich unwahrscheinlich bezeichnete Beckstein eine Koalition mit der SPD; ein Bündnis mit den Grünen schloss er dezidiert aus.

Krampfhafter Jubel

Die Grünen hingegen reden - ebenso wie der glücklose Franz Maget (SPD) - davon, dass der Wähler die "Chance für eine Mehrheit jenseits der CSU" eröffnet habe. Dies wäre nur mit einem Vierer-Bund aus SPD, Grünen, Freien Wählern und FDP möglich, eine Konstellation, für die es laut FDP jedoch keine vernünftige Grundlage gibt.

Sowohl Maget als auch sein Parteifreund in Berlin, Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier, wirkten etwas krampfhaft bei dem Versuch, mit dem Jubel über die CSU-Verluste das eigene Desaster zu übertönen. Schon 2003 hatte die SPD an der Isar mit einem Stimmanteil von unter 20 Prozent ihr historisch schlechtestes Resultat in Bayern einstecken müssen. Am letzten Wahlsonntag gab sie noch einmal ein Prozent ab und landete auf blamablen 18 Prozent.

Dass die Linke mit nicht ganz 5 Prozent unter dem Erfolgslimit und damit draußen bleibt, werten ihre Vorderen dennoch als Erfolg in einem "so konservativen Land wie Bayern".

Die Suche nach Ursachen und Schuldigen wird die CSU nun einige Zeit beschäftigen. Verbraucherschutz-Minister Horst Seehofer hatte noch am Wahlabend gewarnt: "Ein Weiter-So darf es nicht geben!" - manche meinen, Seehofer habe sich damit als potenzieller Erwin-Huber-Nachfolger für den Parteivorsitz empfohlen.

Nach einem praktisch themenlosen Wahlkampf scheinen weniger sachpolitische als psychologische Faktoren eine Rolle gespielt zu haben. Gegen das Argument, fünf Jahrzehnte Alleinherrschaft seien genug, lässt sich rational nichts erwidern. Dafür spricht das Paradox, dass selbst CSU-Wähler das niederschmetternde Resultat ihrer Partei für gut halten.

Zu schwach in Berlin?

Wie Infratest-dimap nach dem Urnengang ermittelte, kritisierten rund 80 Prozent der Befragten die Parteiführung als "schwach". Man hätte sich ein kräftigeres Auftreten "gegen Berlin" erhofft. Der Führung fehle es an Durchsetzungskraft. Viele zielten damit auf Angela Merkel, die so manche Wahlkampfidee der CSU abgeblockt hatte, wie etwa Steuersenkungen und Wiedereinführung der Pendlerpauschale.

Die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende kann über das Ergebnis der Schwesterpartei jedoch nicht glücklich sein. Ihre Chance, Regierungschefin zu bleiben, hängt von einem guten bayerischen Stimmergebnis ab, zumal die Union nunmehr zum zehnten Mal in Folge Stimmen verlor. Auch für Horst Köhler wird es knapp, wenn er erneut als Bundespräsident vor der Bundesversammlung antritt. Schon am kommenden Samstag will Andrea Ypsilanti in einem außerordentlichen Parteitag der Hessen-SPD die Weichen für ein rot-rotes Bündnis in Wiesbaden stellen. Damit fielen weitere fünf Bundesratssitze von der CDU weg.

Die Bayern haben CSU gewählt, aber die Alleinherrschaft abgewählt.