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Schwebephase beim Uni-Zugang wird verlängert

Von Katharina Schmidt

Analysen

Die Niederlassungsfreiheit ist eine der vier Grundfreiheiten der Europäischen Union. Bis nach Österreich dürfte das in den zwölf Jahren seit dem EU-Beitritt allerdings noch nicht durchgedrungen sein.


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Zumindest, was den Zugang zu universitärer Bildung betrifft, hat man sich hierzulande so lange wie nur irgend möglich bemüht, die ausländischen (wohlgemerkt: EU-ausländischen) Studenten von den heimischen Unis fernzuhalten. Mit Erfolg: Nach dem Fall der alten Zugangsbeschränkung für deutsche Studenten im Jahr 2005 ist mit der Quotenregelung rasch eine neue Lösung aus dem Ärmel gezaubert worden. Um die Österreicher vor dem Ansturm der Deutschen zu schützen, hieß es.

Dies klingt beinahe so fadenscheinig wie das von der Rechten so gerne strapazierte Argument, Immigration müsse verhindert werden, "weil die Ausländer den Österreichern die Arbeitsplätze wegnehmen". Wenn es aber Tests für alle gibt, bekommt den Job oder den Studienplatz eben der Beste - ungeachtet der Nationalität.

Österreichs Medizin-Unis kommen ohne die Quoten nicht aus, weil die Österreicher bei den Tests schlicht schlechter abschneiden als die Deutschen. Deutlich wird das beim Ergebnis von 2006: Allein aufgrund der Testergebnisse wären nur 46 Prozent der Studienplätze auf österreichische Studenten entfallen, durch die Quoten wurden aber 75 Prozent der Plätze an Österreicher vergeben.

Als Begründung für die EU-rechtswidrige Bevorzugung der Österreicher wird der befürchtete Ärztemangel genannt. Auf den bösen Brief der EU-Kommission vom Jänner 2007 antwortete das Wissenschaftsministerium mit einem 500 Seiten starken Konvolut, laut dem zwischen 2007 und 2030 jährlich rund 1500 Ärzte - übrigens genauso viele, wie es Studienplätze gibt - in Österreich fehlen würden. Und: 80 Prozent der deutschen Studenten hätten angegeben, nach dem Abschluss wieder nach Deutschland gehen zu wollen. Den Studienplatz finanziert also Österreich, den Benefit hat dann aber das Nachbarland.

Demgegenüber heißt es seitens des Instituts für Höhere Studien, dass zumindest mittelfristig von einem Ärzteüberschuss ausgegangen werden kann. Diesen ortet auch das Institut für Gesundheitswesen: In einer Studie von 2006 wird mit einem Mehr an Ärzten von 270 bis 500 jährlich gerechnet - bis zum Jahr 2025.

Welcher Prognose man auch immer Glauben schenken mag: Die EU-Kommission hat Österreich jetzt jedenfalls fünf Jahre Zeit gegeben, den drohenden Ärztemangel und damit die Notwendigkeit der Quoten ohne ein Verfahren im Nacken zu beweisen. Selbst Wissenschaftsminister Johannes Hahn hat zugegeben, dass das nicht ganz so einfach wird. Denn bis 2012 dürften noch nicht allzu viele jener Studenten, die von der Quotenregelung betroffen sind, fertig ausgebildete Mediziner sein.

Dass plötzlich Mengen an Daten auftauchen werden, darf getrost bezweifelt werden. Statt einer handfesten Lösung hat Österreich wieder einmal eine Schwebephasen-Verlängerung nach dem Motto "kommt Zeit, kommt Rat" ausverhandelt.

Statt Freude über das Verhandlungsgeschick "mit Brüssel" zu bekunden und sich auf die Suche nach inexistenten Zahlen zu begeben, ist jetzt echte Lösungskompetenz gefragt. Wie kann bei den österreichischen Studienanwärtern der Leistungsgedanke forciert werden? Und wie kann ein EU-weites System der Studienkosten-Rückerstattung funktionieren? Welche Anreize kann man für Deutsche schaffen, nach dem Medizinstudium doch in Österreich zu bleiben? Im Sinne der Niederlassungsfreiheit.