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Schwedens Konservative vor Wiederwahl

Von Gerhard Lechner

Europaarchiv

Konservative weit vor linkem Block. | Rechtsextreme vor Wahlerfolg. | Regierungsbildung wird schwierig. | Stockholm/Wien. Ist Schweden eigentlich noch Schweden? Lange Zeit galt der skandinavische Staat als internationales Vorzeigeland der Sozialdemokratie, schienen Land und Partei ebenso unzertrennlich wie - unter umgekehrten, konservativen Vorzeichen - in Bayern, wo die CSU als Dauer-Staatspartei amtiert.


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Seit 1932, als es Ministerpräsident Per Albin Hansson gelang, mit staatlichen Investitionen die Folgen der Weltwirtschaftskrise erfolgreich zu bekämpfen und die Vision des Staates als "Volksheim" in Schweden zu etablieren, unterbrachen nur zwei kurze konservative Intermezzi die sozialdemokratische Regentschaft. Mit Olof Palme in den 70er- und Ingvar Carlsson und Göran Persson in den 90er-Jahren stellte die schwedische Sozialdemokratie aber rasch die Normalität wieder her.

Diesmal könnte es anders kommen. Glaubt man allen Prognosen, wird die konservative Regierung von Fredrik Reinfeldt nämlich kein Intermezzo bleiben: Der Abstand zwischen seiner bürgerlichen "Allianz für Schweden", die aus vier Parteien besteht und bei 49 bis 50 Prozent liegt, und dem rot-grünen Oppositionsblock unter Sozialdemokraten-Chefin Mona Sahlin ist vor den Reichstagswahlen am Sonntag bereits auf acht bis neun Prozent angewachsen. Der Chef der "Moderaten Sammlungspartei" wäre der erste konservative Premier seit den zwanziger Jahren, der im Amt bestätigt würde. Kein Wunder, dass viele Schweden von einer historischen Wende sprechen.

Historische Schlappe

Historisch wäre dabei auch die Schlappe, die den Sozialdemokraten droht: Nur noch 28 Prozent weist eine jüngste Umfrage für die einst alles dominierende Partei aus - es wäre das schlechteste Ergebnis seit 1914, sechs Prozentpunkte weniger als bei der bereits als Katastrophe empfundenen Parlamentswahl 2006. Parteichefin Mona Sahlin kämpft immer noch mit dem schlechten Image, das ihr seit der "Toblerone-Affäre" Mitte der 1990er-Jahre anhängt. Damals musste die heute 53-Jährige ihre Kandidatur für den Parteivorsitz zurückziehen, als bekannt geworden war, dass sie mit der Kreditkarte der Regierung private Einkäufe getätigt hatte - unter anderem Riegel der Schweizer Schokoladenmarke.

Schwer zu schaffen dürfte Sahlin freilich auch der Kurs der Regierung machen: Denn das Kabinett unter Führung von Reinfeldts "moderater Sammlungspartei" agiert, wie es der Parteiname suggeriert: Der konservative Premier, der es seit Ausbruch der Wirtschaftskrise geschafft hat, bei den Schweden als Krisenmanager zu punkten, fährt einen Kurs der Mitte. Neben Reinfeldts beinah sozialdemokratischer Politik bleiben für Sahlin nicht mehr viele Themen zur politischen Profilierung. Dass die 53-Jährige den jüngst beschlossenen Wiedereinstieg Schwedens in die Atomkraft bekämpft, mobilisiert offenbar nicht ausreichend viele Menschen.

Doch auch für den Premier ist die Wahl noch nicht gewonnen: Dann nämlich, wenn die ausländerfeindlichen "Schwedendemokraten" die fünf-Prozent-Hürde überspringen und in den Reichstag einziehen. Danach sieht es derzeit allerdings aus: Meinungsforscher sehen die in der rechtsextremen Szene beliebte Partei bereits bei 7,5 Prozent - damit würde sie bereits vor den Grünen und der rechtsliberalen Volkspartei liegen, die beide 7,2 Prozent erreichen. Die Islam-Gegner, die bisher nur in einigen Gemeinden vertreten sind, wären damit die drittstärkste Partei im Parlament.

Für Reinfeldt könnte das die Regierungsbildung erheblich erschweren: Der Premier hatte nämlich angekündigt, die Schwedendemokraten "nicht einmal mit der Zange" angreifen zu wollen. Was aber, wenn Reinfeldts jetzige Koalitionspartner unter die fünf-Prozent-Hürde fallen? Schwedens Medien spekulieren bereits über einen Einstieg der Grünen in die Reinfeldt-Koalition - oder gar über das bisher Undenkbare: eine Zusammenarbeit der Moderaten mit den Sozialdemokraten.