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Schwedische Piraten wollen den Reichstag entern

Von Wolfgang Zaunbauer

Europaarchiv

Piratenpartei kämpft für Reform des Urheberrechts. | Stockholm/Wien. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den regierenden Sozialdemokraten und der bürgerlichen Opposition ist vorprogrammiert, wenn die Schweden am 17. September einen neuen Reichstag wählen. Dennoch war der Wahlkampf unerwartet langweilig. Einzige Sensation: Die Piratenpartei. Mit dem Kampf für legalen Tausch von Musikdateien im Internet will die junge Partei den Einzug in den Reichstag schaffen.


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Am Neujahrstag 2006 gründete Rickard Falkvinge die Piratpartiet (Piratenpartei), die für den Schutz der Privatsphäre sowie eine Reform des Urheberrechts und des Patentsystems eintritt. Knapp 8000 Mitglieder hat die Partei bereits. Damit gibt es in Schweden mehr Piraten als eingeschriebene Grüne.

Falkvinge kämpft gegen den Trend "hin zum Überwachungsstaat", die EU-Vorratsdatenspeicherung, vermehrte Videoüberwachung sowie biometrische Daten und Fingerprints. Dies stelle eine unzumutbare Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten dar, die mit Terrorismusbekämpfung nicht zu rechtfertigen sei.

Hauptanliegen der Piraten ist es, den Tausch von Musikdateien im Internet zu nichtkommerziellen Zwecken, sogenanntes Filesharing, zu legalisieren. Erst im Juli 2005 hatte das schwedische Parlament mit großer Mehrheit ein neues Gesetz zum Urheberrecht verabschiedet, demzufolge es illegal ist, Musik oder anderes geschütztes Material kostenlos aus dem Internet herunterzuladen. Damit würden laut Piratenpartei 1,2 Millionen Schweden kriminalisiert.

Beachtliches Potenzial

Dass die Piratenpartei mit ihren Forderungen den Bedürfnissen der Internetgeneration entspricht, wird angesichts der Tatsache deutlich, dass drei Viertel der schwedischen Erstwähler für die Legalisierung von Filesharing sind. 70 Prozent der Schweden nutzen das Internet. Über eine Million beteiligt sich an Musiktauschbörsen. Das Wählerpotenzial der Piratenpartei ist beachtlich. Das haben auch die übrigen Parteien registriert und ringen nun um ein möglichst User-freundliches Image. Selbst Justizminister Thomas Bodström, das erklärte Feindbild der Piraten, kann sich mittlerweile eine Änderung des Urheberrechts vorstellen. Dieses verbietet derzeit zum Beispiel Studenten sogar das Kopieren von Büchern für Studienzwecke.

Angesichts des Ansturms der etablierten Parteien auf die jungen Filesharer bleibt es daher fraglich, ob die Piraten den Einzug in den Reichstag tatsächlich schaffen. Zwar wurden die 2000 Unterschriften, die für ein Antreten bei der Wahl benötigt werden, binnen 24 Stunden gesammelt, doch müssten für den Einzug ins Parlament immerhin 225.000 Wähler am 17. September ihr Kreuz neben der Piratenflagge machen.

Etwas hat Falkvinge bereits heute erreicht: Ganz Schweden diskutiert über Filesharing und die etablierten Parteien überbieten einander im Adaptieren der Freibeuter-Ideen. Damit erreicht die Partei ihre Ziele, ohne überhaupt im schwedischen Parlament zu sitzen. Außerdem wurde der Wahlkampf dank der Piratpartiet wenigstens ein bisschen interessanter. Und vielleicht schaffen die Piraten am Wahltag ja tatsächlich eine Sensation.