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Schweinefarm statt Holocaust-Mahnmal

Von Michael Schmölzer

Europaarchiv

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In Hodonin, einer verschlafenen Kleinstadt etwa 30 Kilometer nordöstlich des österreichisch-tschechischen Grenzüberganges Reinthal/Breclav, erinnert nichts mehr an das Konzentrationslager für Roma, das die Nazis hier vor 60 Jahren errichten ließen. An genau der Stelle, die eigentlich Gedenkstätte sein sollte, steht ein Erholungsheim. Schlimmer noch verhält es sich mit Lety, einem Nest nördlich von Budweis. Dort, wo in den Jahren 1942 und 1943 1300 Roma interniert waren - über 300 sind umgekommen - befindet sich eine geruchlich weithin wahrnehmbare Schweinefarm.

Seit Jahren ist der tschechische "Ausschuss für die Entschädigung des Roma-Holocaust" darum bemüht, dass den Opfern von Hitlers Vernichtungswahn und deren Nachkommen in beiden Städten ein würdiges Denkmal errichtet wird. Anlässlich einer Gedenkveranstaltung in der vergangenen Woche ließ der Vorsitzende des Roma-Vereins, Cenek Ruzicka, gegenüber dem Nachrichtensender "Radio Praha" seiner Verzweiflung freien Lauf: "Von den Regierungen, die es hier seit der Wende von 1989 bisher gab, verlangen wir eine einfache menschliche Geste." Geschehen ist bislang nichts. "Die größte Enttäuschung meines Lebens erlebte ich hier (in Lety, Anm.) im Jahr 1994, als ich diesen Ort zum ersten mal sah. Meine Mutter erzählte mir nie über diesen Ort, obwohl sie hier interniert war und hier ihren Opa und meinen Bruder verlor. Ich wurde von einer Roma-Vereinigung hierher geführt. Als ich das sah, war ich schockiert", so Ruzicka.

Der Verein hat sich jetzt erneut mit einer Erklärung an den tschechischen Ausschuss für nationale Minderheiten gewandt. In dem Papier wird die Regierung aufgefordert, sowohl in Lety als auch in Hodonin würdige Denkmäler für die Roma-Opfer zu errichten. Ob der Antrag diesmal bei den Verantwortlichen auf Wohlwollen stößt, bleibt abzuwarten.