Zum Hauptinhalt springen

Schweiz übernimmt das Schengen-System

Von Waldemar Hummer

Kommentare
Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Foto: privat

Als weiterer Drittstaat nach Norwegen und Island hat nun vor kurzem auch die Schweiz das Schengen-System übernommen und ihre Grenzen geöffnet.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Schweiz ist als Drittstaat mit der EU durch eine Reihe von bilateralen Verträgen verbunden, die es ihr erlauben, in den für sie wichtigen Bereichen Sonderregime in Anspruch zu nehmen.

Neben dem nach wie vor in Kraft stehenden Freihandelsabkommen mit der EG und einigen wenigen sonstigen Abkommen aus den 70er Jahren sind es gegenwärtig die sieben Abkommen des Pakets der sogenannten Bilaterale I (1999) sowie die acht Abkommen der Bilaterale II (2004), die die Rechtsbeziehungen der Schweiz zur EU regeln.

Unter den Bilateralen II befindet sich auch das Assoziationsabkommen der Schweiz mit dem Schengener-System (1985/1990) sowie mit dem Abkommen von Dublin über das Erstasyl (1990), das als einziges Übereinkommen dieses Pakets referendumspflichtig war. Das Referendum ging am 5. Juni 2005 mit 54,6 Prozent Ja-Stimmen positiv aus.

Bedenkt man die verkehrsgeografische Lage und die Arbeitsmarktsituation der Schweiz mit ihren vielen Pendlern und Saisonniers, dann kann man verstehen, dass die Schweiz nicht länger strikt zu überwachende "Schengen-Außengrenzen" zu ihren wichtigen Nachbarländern Italien, Frankreich, Deutschland und Österreich haben wollte:

Täglich überqueren mehr als 700.000 Personen, 300.000 Pkw und 20.000 Lkw die Schweizer Landesgrenzen. Dabei überschreiten mehr als 97 Prozent der Personen die Schweizer Grenze ungeprüft - was eigentlich nicht sein dürfte, aus praktischen Gründen zur Vermeidung kilometerlanger Staus aber unvermeidbar ist. Daher ist sowohl die Teilnahme am Schengener-Sicherheitssystem (SIS und Eurodac) als auch am Dubliner Erstasylabkommen zu einer zwingenden Notwendigkeit geworden.

Um das am 1. März 2008 in Kraft getretene Assoziationsabkommen Schengen/Dublin operativ werden zu lassen, bedurfte es auf der Seite der EU zunächst der Umstellung des bisherigen Schengener Informationssystems (SIS I) auf das modernere SIS II, was erst durch die Verordnung (EG) Nr. 1104/2008 und den Beschluss 2008/839/JI des Rates ansatzweise bewerkstelligt wurde. Danach musste auf der Seite der Schweiz erst deren "Schengen-Reife" festgestellt werden.

Liechtenstein macht sich fit für Schengen

Wegen der offenen Grenzen im Personenverkehr zwischen der Schweiz und Liechtenstein sieht das Assoziationsabkommen auch die Möglichkeit einer Assoziierung des Fürstentums vor. Am 28. Februar 2008 wurde ein derartiges Protokoll unterzeichnet, mit einem definitiven Einbezug Liechtensteins in das Schengener System ist aber nicht vor Ende 2009 zu rechnen, da dieses vorher noch seine EDV-Systeme "Schengen-fit" machen muss.

Gemäß Beschluss 2008/903/EG des Rates vom 27.November 2008 (Amtsblatt 2008, L 327/15) gehört die Schweiz seit dem 12.Dezember 2008 als 25.Land zum Schengen-Raum (22 EU-Länder sowie Norwegen und Island), allerdings nur was den Entfall der Personenkontrollen im Landverkehr betrifft. Für den Luftverkehr treten die Erleichterungen erst ab dem Sommerflugplan am 29. März 2009 in Kraft.

An der schweizerisch-österreichischen Grenze waren bisher 130 Polizisten im Einsatz, die künftig im Rheintal eingesetzt werden. Es wird auch gemischte Streifen mit Beamten aus der Schweiz und Österreich geben.

Die Zollfreigrenzen bleiben aber aufrecht, da die Schweiz weder Mitglied der EU-Zollunion noch der Freihandelszone im Europäischen Wirtschaftsraum ist, sondern lediglich in einer bilateralen Zollunion mit Liechtenstein verbunden ist.

europarecht@wienerzeitung.at