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Schweiz und EU: Ist es wirklich aus?

Politik
© reuters

Bern hat nach jahrelangen Verhandlungen ein Rahmenabkommen platzen lassen.


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Sieben Jahre wurde verhandelt - vergeblich. Auch wenn an ein Zustandekommen des Rahmenvertrags zwischen der Schweiz und der EU zuletzt niemand mehr geglaubt hat - so überraschte doch die Art und Weise, wie die Verhandlungen beendet worden sind. Nämlich anstatt diplomatisch mit Brüssel über das Ende der Verhandlungen zu reden, entschied sich Bern dafür, dieses Faktum unumwunden und unilateral ohne Absprache zu verlautbaren. Dabei waren laut der "Neuen Zürcher Zeitung" im Vorfeld im Bundesrat verschiedene, mildere Optionen diskutiert worden - aber die waren offenbar nicht mehrheitsfähig. Die Art und Weise der Beendigung der Beziehung war "fast schon barsch", schreibt die "Zürcher".

In einer Sondersendung des Schweizer Rundfunks zeigte sich die Mehrheit der Schweizer Politiker enttäuscht von dem Bundesrat. Dieser sei dafür verantwortlich, die politischen Kräfte zu einer Allianz zu vereinen, meinte etwa Elisabeth Schneider-Scheiter von der zentristisch-konservativen Partei Die Mitte. Der Mitvorsitzende der Sozialdemokraten, Cedric Wermuth, vermisste bei dem Schweizer Außenminister Ignazio Cassis von der liberalen Partei FDP den Willen für erfolgreiche Verhandlungen.

Allerdings, so schreibt der Schweizer "Tagesanzeiger" süffisant, werden auch Wermuth und der SP dieser Wille abgesprochen. Diese sorgten zusammen mit Gewerkschaften für erheblichen Widerstand, aus Angst, dass der Schweizer Lohnschutz untergraben werden könnte. Aber auch konservative Kräfte legten sich gegen das Abkommen quer.

Und somit war das Abkommen nicht mehrheitsfähig. Allerdings ist nicht einmal ausgemacht, was das konkret nun bedeutet. Denn die Schweiz hatte offenbar Angst vor der eigenen Courage und signalisierte kurz darauf wieder ein Entgegenkommen. Man werde die Schweizer Gesetze auf Diskrepanzen zu EU-Gesetzen überprüfen, und dort, wo es von Vorteil für die Schweiz sein könnte, diese entsprechend adaptieren. Auch wolle man die sogenannte Kohäsionsmilliarde, die die Schweiz an die neuen EU-Mitgliedsländer auszahlen sollte und später blockiert hatte, jetzt, trotz allem, plötzlich nun doch auszahlen. Als Zeichen des guten Willens.

Kein Ende mit Schrecken

Man wolle offenbar die Beziehungen durchaus am Leben erhalten, urteilt der Bundeshausredaktor Fabian Fellmann im Podcast des "Tagesanzeigers". Auch wenn er sich ebenfalls schwertut, einen "Plan B" des Bundesrats auszumachen. Bern sei jedenfalls weiter interessiert an vereinzelten Marktzugängen, wie etwa im Strommarkt, bei den Finanzdienstleistungen und in Sachen Datenschutz. Der Bundesrat, so meint Fellmann, will sich die EU "so warm wie möglich" halten - um die Beziehungen dann auch "wiederzubeleben, wenn der Moment dafür gekommen ist". Ohne EU geht es in der Schweiz eben auch nicht. Der Handel mit der Union macht 60 Prozent des Schweizer Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Fellmann glaubt allerdings auch, dass das Interesse der EU an der Schweiz nicht mehr so groß ist wie noch vor ein paar Jahren.

Umstritten ist, wie stark die Vorgänge die gesamte Wirtschaftsleistung der Schweiz beeinflussen. Das wird ein schleichender Prozess sein, den die Schweizer eventuell empfindlich spüren könnten. Allerdings bleiben die bilateralen Verträge zwischen der EU und der Schweiz vorerst bestehen. Die EU hat aber erklärt, es werde keine weiteren Abkommen geben, und ältere Abkommen würden möglicherweise nicht aktualisiert. EU-Politiker äußersten sich enttäuscht aber gefasst über den Ausgang der Verhandlungen.

Dass sich die Schweiz nun für immer von der EU abgewendet hat, glauben die wenigsten. Wahrscheinlich handelt es sich um eine weitere Etappe auf dem steinigen Weg der Beziehung zur EU.(wak)