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Erinnern Sie sich noch an die Schule? Chemieunterricht? War das faszinierend! Wie Zaubern. Flüssigkeit A, durchsichtig und unspektakulär, wurde vermischt mit Flüssigkeit B, ebenso unspektakulär und durchsichtig. Doch was für ein Ergebnis: Auf einmal gab es schillernde Farben, Blubbern und Rauch. Ganz ähnlich verhält es sich derzeit auch mit der Schweiz.
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Dass in Bern jemand sitzt, der zur EU und offener Ausländerpolitik nicht unbedingt das beste Verhältnis hat, war bereits länger bekannt. Auch die mittlerweile berühmten Schaf-Plakate sind schon vor Monaten aufgetaucht und als heftig oder geschmacklos eingestuft worden. Ebenso war es vor zwei Wochen nicht das erste Mal, dass in Bern der sogenannte Schwarze Block randalierte. Jedes Ereignis für sich genommen ist keine besondere Aufregung wert, für ein Land, mit dem die durchschnittliche Weltbevölkerung Ruhe, Stabilität, die Genfer Konvention und Alphörner verbindet. Doch die Kombination der drei Komponenten hat den Eidgenossen einen äußerst heftigen Wahlkampf beschert, gepaart mit einer negativen Berichterstattung im Ausland.
Die Mischung aus Gewalt, Ausländerthematik und Polemik hat Christoph Blocher schon die ersten Vergleiche mit anderen Politikern wie Jörg Haider oder Jean-Marie Le Pen eingebracht. Diese Vergleiche hinken jedoch. Es beginnt bei unterschiedlichen Ausgangslagen. Blocher ist im Gegensatz zu seinen Vergleichspartnern ein erfolgreicher Unternehmer. Also kein reiner Polit-Theoretiker. Dazu tritt der SVP-Chef für eine liberale Wirtschaftspolitik ein, wie sie die anderen nur teilweise und zeitweise entdeckt haben. Er profitiert damit übrigens von der leichten Orientierungslosigkeit der eigentlichen wirtschaftsliberalen Schweizer Partei FDP.
Und noch etwas: Blocher hatte nie Berührungspunkte mit dem Nationalsozialismus. Die anderen beiden Parteiführer haben sich hingegen wegen Äußerungen zu der Thematik bereits vor Gericht verantworten müssen. Dennoch veröffentlichte die "New York Times" eine Karikatur, welche die Schweiz in die Ecke des Nationalsozialismus drängte. Solche Angriffe helfen der SVP. Denn in dem natürlichen Bestreben, sich vom Rechtsextremismus abzugrenzen, werden viele Wähler den Parolen zu Ausländer- und Familienpolitik der SVP mehr Verständnis und Relativierung entgegenbringen. Das ist ein alter politischer Reflex. Schon Maggie Thatcher freute sich über Attacken aus Frankreich, wenn sie im Umfragetief war. Denn auf einmal stand das Volk geeint hinter ihr.
Andererseits werden Wähler, die dieser Vermischung zwischen Schweiz und SVP im Ausland entgegenwirken wollen, verstärkt zu den Urnen gehen und gegen die SVP zu stimmen.
Das Resultat? So wie im Chemieunterricht wird sich der farbenfrohe Effekt normalisieren und irgendwann verpuffen.