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Schwere Brocken im Bildungsbergwerk

Von Bettina Figl

Politik

Bei Autonomie und Gesamtschule herrscht Einigkeit. Nun geht es darum, den Kompetenzstreit zu klären.


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Wien. Was genau beim Bildungsgipfel am Dienstag präsentiert werden wird, ist noch nicht im Detail klar. Zuvor stehen in der Regierung am Sonntag und Montag noch harte Verhandlungen an, es spießt sich vor allem an der Frage, ob die Lehrer künftig Sache der Länder oder des Bundes sein sollen. Abgesehen vom Knackpunkt Verwaltungsrecht sei die Reform zu 90 Prozent ausverhandelt, heißt es aus Ministeriumskreisen.

Gesamtschulenin jedem Bundesland

Im Mittelpunkt der Reform stehen die Aufwertung der Elementarpädagogik, die Verwaltung und die Schulautonomie. Zusätzlich sollen die Übergänge zwischen Kindergarten, Volksschule und Sekundarstufe erleichtert und professioneller gestaltet werden. Jedes Bundesland soll eine Modellregion für die Gesamtschule einführen können - das hatten sich zuletzt auch einige ÖVP-Landeshauptleute gewünscht. Die Vorstöße kommen aus dem Westen: Vorarlberg hat sich bereits entschlossen, die Voraussetzungen für die Gesamtschule zu schaffen, in Tirol soll das Zillertal zur Gesamtschul-Modellregion werden. Von der Stadt Wien heißt es, man werde die gemeinsame Schule für 10- bis 14-Jährige in allen Bezirken einführen, sobald es die Möglichkeit dazu gibt. Für dieses Projekt braucht es aber Gesetzesänderungen auf Bundesebene. Dass die Gesamtschule flächendeckend eingeführt wird, ist dem Vernehmen nach jedoch nicht vorstellbar.

Als fix gilt, dass es mehr Schulautonomie geben wird. Das soll den Schulen mehr Freiheiten bei finanziellen, personellen und pädagogischen Entscheidungen geben. Wenn sich Direktoren ihre Lehrer aussuchen, soll die Qualifikation der Lehrerschaft steigen. Angeblich sollen die Schulleiter aber nicht viel mehr als ein Mitspracherecht bekommen.

Bund und Länderwollen Verwaltungshoheit

Völlig offen scheint der Ausgang im Kompetenzstreit, mit einer Ausnahme: Dem Vernehmen nach sollen die Kindergärten künftig nicht mehr den Ländern, sondern dem Bund unterstellt sein. Derzeit verwaltet der Bund die Lehrer an höheren Schulen, die Länder sind für die Pflichtschullehrer und Elementarpädagogen zuständig. Bezahlt werden alle Lehrer durch den Bund - und das, obwohl es nur Schätzungen darüber gibt, wieviele Lehrer in dem jeweiligen Bundesland unterrichten und wieviele eine andere Tätigkeit ausüben. Hier halten sich die Länder bedeckt.

Nun verlangen Bund und Länder die jeweils alleinige Zuständigkeit für alle Lehrer. "Hier wird hinter den Kulissen noch heftigst gestritten", heißt es aus Verhandlungskreisen. Dass die Länder die Verwaltungshoheit für alle Lehrer bekommen werden, ist kaum vorstellbar. Ob es tatsächlich zu grundlegenden Änderungen in der Schulverwaltung kommen wird, ist also mehr als fraglich. Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek hatte vorab angekündigt, dass die Frage der Zuständigkeit für die Schulverwaltung bei der Ausverhandlung der Bildungsreform sicher nicht ausgespart wird. Sie sagte aber auch, die Reform werde nicht an der Verwaltungsfrage scheitern.

Auch Wiens Bürgermeister Michael Häupl, der am Montag ebenfalls mit am Verhandlungstisch sitzen wird, hat wiederholt gesagt, er könne sich "nicht vorstellen, dass es daran scheitert, wer die Gehaltsschecks der Lehrer unterschreibt". Bei dem Machtkampf dreht sich im Grunde alles um die Frage, ob der Förderalismus in Österreich ins Wanken gerät.

"Dass der Bund das Geld einnimmt und den Ländern zur Verwendung gibt, ist unsinnig und ineffizient", sagt dazu Lorenz Lassnigg, Bildungsforscher am Institut für Höhere Studien zur "Wiener Zeitung". Sowohl Bund als auch Länder argumentieren, es brächte Einsparungen, wenn sie die Verwaltungshoheit bekommen. Doch die kolportierten Zahlen seien nicht vergleichbar, so Lassnigg: Während das Ministerium in seinen Berechnungen von den Gesamtkosten für die Lehrer ausgeht, zählen die Länder nur die Verwaltungsausgaben. Laut IHS-Berechnungen käme die Verländerung teurer.

Für die Länder stehen die Landesschulräte auf dem Spiel

Für die Länder geht es aber um mehr: Beispielsweise steht für sie die Zukunft der Landesschulräte auf dem Spiel. Zurzeit gehört diese Behörde zum Bund, das Kollegium wird jedoch durch die Landtagsparteien beschickt, der Landeshauptmann stellt den Präsidenten. Laut Empfehlung des Rechnungshofs wäre es besser, einen Bundesbeamten an die Spitze zu setzen. Und auch der Posten des Landesschulratsvizepräsidenten, der derzeit nur eine Kontrollfunktion ausübt, wackelt. Derzeit werden diese in fünf Bundesländern verpflichtend eingesetzt und werden von der zweitstärksten Landtagsfraktion gestellt.

Klar auf der Seite des Bundes steht die Industriellenvereinigung (IV): "Wir wollen eine Schulorganisation und nicht neun", sagt IV-Generalsekretär Christoph Neumayer und forderte "eine transparente, effiziente und österreichweit einheitliche Organisationsform und Mittelzuweisung und daher eine Bundeslösung".

Kritik kam am Freitag wieder einmal von Lehrern, Schülern und Eltern, weil sie in die Gestaltung der Bildungsreform nicht eingebunden waren. Der 17. November sei erst der Startschuss, antwortet darauf Heinisch-Hosek. Die Aktion kritischer Schüler (AKS) hat nun eine Petition für mehr Mitbestimmung gestartet. "Nicht nur bei der Bildungsreform, auch in der Schule werden wir nicht in Entscheidungsprozesse miteingebunden", so AKS-Vorsitzende Christina Götschhofer in einer Aussendung, in der sie auch die Direktwahl der Landes- und Bundesschülervertreter fordert.

Woran also wird der Erfolg der Bildungsreform zu messen sein? "Wenn es einen echten Fahrplan gibt, ist der erste Schritt getan. Wenn sich aber im Schulbetrieb wenig ändert, ist die Reform gescheitert", so Michael Landertshammer, Bildungssprecher der Wirtschaftskammer Österreich.