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Schwere Etappen kommen erst

Von Wolfgang Tucek, Brüssel

Europaarchiv

Während die Abstimmung des griechischen Parlaments über die EU-Verfassung gestern Abend problemlos über die Bühne ging, stehen die Zeichen für ein Ja der Franzosen weiterhin schlecht. Dies wirft dunkle Schatten auf die nachfolgenden Abstimmungen in den Niederlanden und Dänemark voraus.


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Fünf von 25 Etappen hat die EU-Verfassung geschafft. Griechenland ratifizierte gestern Abend nach Litauen, Ungarn, Slowenien und Italien das europäische Vertragswerk. Sowohl die konservative Regierungspartei Neue Demokratie als auch die sozialistische PASOK-Opposition waren dafür. Die beiden stellen gemeinsam 279 der 300 Abgeordneten. Ein Formalakt des spanischen Parlaments trennt die EU-Verfassung von der Nummer sechs. Dort wurde im Februar das Referendum mit 76,7 Prozent gewonnen.

Die heftigsten Bergwertungen stehen allerdings noch bevor. Vor allem in Frankreich steht den Regierungspolitikern der kalte Schweiß auf der Stirn. Am 29. Mai sollen die Franzosen zustimmen. Seit Wochen liegen die Verfassungsgegner bei den Umfragen vorne - zuletzt mit 56 Prozent. "Fürchtet euch nicht" rief Präsident Jacques Chirac den Franzosen vergeblich bei einer inszenierten TV-Debatte mit ausgewählten "Jugendlichen" zu. Seinen Rücktritt im Fall einer Niederlage schloss er aus. Premier Jean-Pierre Raffarin liegt unterdessen mit Innenminister Dominique de Villepin in den Haaren, der nach einem Regierungswechsel unabhängig vom Ausgang des Votums gerufen hatte.

Angesichts dieses Szenarios steigt die Nervosität auch in den Niederlanden, wo drei Tage später am 1. Mai abgestimmt werden soll. Im September folgen die Dänen. Erst gestern startete die Regierung in Den Haag angesichts sinkender Zustimmungswerte ihre Informationsoffensive für die EU-Verfassung.

Zwar rechnet Den Haag laut eigenen Erhebungen mit einer knappen Mehrheit. Eine Umfrage des Fernsehsenders Twee Vandaag ließ aber mit 53 Prozent gegen das Projekt aufhorchen.

Wie in Frankreich gewinnen auch in den Niederlanden und Dänemark Themen oberhand, die nur sehr mittelbar oder überhaupt nichts mit der EU-Verfassung zu tun haben. Geht es bei ersterem vor allem um einen Denkzettel für die Regierung Chirac, so bereitet etwa auch die Aufnahme der Türkei in die EU Unbehagen. 63 Prozent der Dänen sprachen sich in einer jüngst veröffentlichten Erhebung dagegen aus. Medienberichte, dass die Briten ihr Referendum absagen, wenn die Franzosen Nein sagen, dementierte Premier Tony Blair am Montag. Auf der Insel ist die Ablehnung noch weit größer als in Frankreich.

"Wenn Europa eine Rolle in der Welt spielen soll, ist es notwendig, für die Verfassung zu sein", warnte Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner vor einem Scheitern des Zieleinlaufs. Die in der Verfassung verdichtete gemeinsame Außenpolitik erleide einen Rückschlag. Außerdem wackle der für 3. Oktober angesetzte Verhandlungstermin mit der Türkei vorläufig ebenso wie die längerfristig geplante Integration der Länder am Balkan, hieß es.