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Schwere Schlappe für die Tories

Von WZ Online

Politik

Mays Konservative verlieren absolute Mehrheit im Unterhaus, Corbyns Labour Party legt stark zu.| May kündigt für Vormittag Erklärung an: Tritt sie zurück?


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London. Die konservative Partei von Premierministerin Theresa May hat bei der britischen Unterhauswahl am Donnerstag ihre bisherige knappe absolute Mehrheit verloren. Dies ist am Freitag in der Früh nach Auszählung von 633 Wahlkreisen festgestanden. Während Mays Konservativen noch 18 Mandate auf die absolute Mehrheit fehlten, waren nur noch 17 Wahlkreise auszuzählen.

Damit steht Großbritannien kurz vor Beginn der Brexit-Verhandlungen eine komplizierte Regierungsbildung bevor - entweder gibt es eine Minderheitsregierung, eine Koalition oder gar eine weitere Neuwahl. Für eine absolute Mehrheit sind 326 Sitze im Unterhaus erforderlich. Die Konservativen lagen am Freitag gegen 6.00 Uhr Ortszeit (7.00 Uhr MESZ) bei 308 Sitzen, die oppositionelle Labour Party bei 258, die Schottische Nationalpartei (SNP) bei 34 und die Liberaldemokraten bei 12 Sitzen.

Nach dem überraschenden Verlust hat May indessen eine Erklärung für Freitagvormittag angekündigt. May werde sich um 10.00 Uhr Ortszeit (11.00 Uhr MESZ) äußern, berichtete der Radiosender LBC. Beobachter rechnen mit einem Rücktritt Mays, laut Medienberichten allerdings nicht. Das berichtete unter anderem die in Londoner Regierungskreisen gut vernetzte BBC-Journalistin Laura Kuenssberg. "Sie wird bleiben und ihre Meinung nicht ändern", zitierte Kuenssberg am Freitag ein hochrangiges Regierungsmitglied.<p>Die konservative Abgeordnete Anna Soubry stellte zuvor Mays Führungsanspruch infrage. Sie solle Verantwortung für das "fürchterliche Wahlergebnis" übernehmen, sagte Soubry. Ex-Finanzminister George Osborne hatte vorausgesagt, May werde politisch kaum überleben, sollte sie ein schlechteres Ergebnis einfahren als bei der vergangenen Wahl.

 Corbyns Labour legte stark zu

May hatte die vorgezogene Wahl mit dem Ziel ausgerufen, die Regierungsmehrheit ihrer Partei im Unterhaus zu vergrößern und sich mehr Rückhalt für die Verhandlungen über den EU-Austritt zu schaffen. Ihr Herausforderer Jeremy Corbyn, dessen Labour-Partei stark zulegen konnte, forderte die Regierungschefin noch in der Nacht zum Rücktritt auf. Sie habe Stimmen, Sitze und Vertrauen verloren, sagte er. Das sei genug, um "zu gehen und Platz zu machen für eine Regierung, die wirklich alle Menschen dieses Landes repräsentiert."

May erklärte hingegen, Großbritannien brauche "eine Phase der Stabilität". Sollten sich die Prognosen bestätigten, sei es Aufgabe der Tories, "sicherzustellen, dass wir diese Phase der Stabilität haben".

LibDems schließen Koalition aus

Eine erste Prognose nach Schließung der Wahllokale am Donnerstagabend hatte die Tories bereits als stärkste Kraft, aber ohne Regierungsmehrheit gesehen. Hochrechnungen im Lauf der Nacht korrigierten die Zahl der Sitze zwar etwas nach oben, die Marke von 326 Sitzen knackten die Konservativen aber zuletzt der BBC zufolge nicht. Die Liberaldemokraten, die von 2010 bis 2015 mit dem konservativen Premier David Cameron regiert hatten, schlossen eine Koalition und einen "Deal" aus.

"Das ist eine Katastrophe für Theresa May. Ihre Führung würde infrage gestellt werden und sie könnte zum Rücktritt gedrängt werden, falls sich die Ergebnisse bestätigen", sagte der Politikprofessor Iain Begg von Hochschule London School of Economics. Sein Kollege Tony Travers erklärte: "Das ist genau das Gegenteil dessen, was sie mit der Wahl erreichen wollte." Auch die Politologin Paula Surridge von der Bristol University sieht May geschwächt. Ein Rücktritt sei nicht auszuschließen.

Als May im April die Neuwahl ausgerufen hatte, galt noch ein überragender Sieg mit einem Zugewinn von 100 Sitzen für die Tories als wahrscheinlich. Fehler im Wahlkampf und die Sicherheitsdebatte nach den Terroranschlägen in London und Manchester hatten die Premierministerin aber in Bedrängnis gebracht.