Gusenbauer nennt heute dem Bundespräsidenten die SP-Ministerriege. | "50-Prozent-Frauenquote wird erfüllt." | Oberösterreich, Vorarlberg und Jugend gegen Koalitionsabkommen. | Wien. Fünf Stunden lang musste der designierte Bundeskanzler Alfred Gusenbauer die SPÖ-Parteispitze von der Richtigkeit des Koalitionspaktes mit der ÖVP überzeugen. Dennoch folgten ihm nur drei Viertel der 64 Vorstandsmitglieder. "Ich habe schon schlechtere Zeiten in der Sozialdemokratie gesehen", kommentierte der Parteichef das nicht gerade euphorische Ergebnis.
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Die SPÖ-Ministerriege konnte gar nicht mehr diskutiert werden, weil Gusenbauer und die Landeshauptleute zum Requiem für Innenministerin Liese Prokop nach St. Pölten aufbrechen mussten. Der SPÖ-Vorstand wird daher heute, Mittwoch, um 9 Uhr, vor Beginn des traditionellen Neujahrstreffens, fortgesetzt. Zuvor will Gusenbauer Bundespräsident Heinz Fischer über seinen Vorschlag der Ministerriege informieren. Die Liste habe er bereits "in petto" und damit werde er auch die angepeilte Frauenquote von 50 Prozent erfüllen, sagte der künftige Kanzler.
Das Abstimmungsverhältnis spiegelt die Stimmung in der Parteibasis wider. Dort wird nicht verstanden, warum Gusenbauer nach den vielen Zugeständnissen nicht wenigstens die Abschaffung der Studiengebühren durchgebracht hat. Das Fass zum Überlaufen brachte aber die scheinbar ungünstige Ressortaufteilung. In allen großen Koalitionen hat bisher die SPÖ sowohl den Bundeskanzler als auch den Finanzminister gestellt. Wenn also schon der Finanzminister bei der ÖVP sein muss, warum dann auch noch das traditionell rote Innenministerium und das Wirtschaftsministerium mit der Verantwortlichkeit für den Bereich Arbeit, den die Parteimitglieder wieder beim Sozialministerium sehen wollten.
Oberösterreich fast geschlossen dagegen
Vor allem die Oberösterreicher brachten mit sieben Gegenstimmen und einer Enthaltung ihren Unmut über die ihrer Meinung nach "ungerechtfertigte Ressortaufteilung" zum Ausdruck. Die künftige Justizministerin Delegationsleiterin der SPÖ-EU-Abgeordneten Maria Berger, die auch aus Oberösterreich kommt, hat dafür gestimmt, ebenso wie SPÖ-Frauenvorsitzende Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Die beiden sind nicht für Oberösterreich im Vorstand, sondern aufgrund ihrer Funktionen.
"Nach dem Wahlergebnis stehen der ÖVP die ihr zugeteilten Ressorts nicht zu", sagte Landesparteivorsitzender Erich Haider.
Wenig angetan vom Ergebnis waren auch Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller und Steiermarks Landeshauptmann Franz Voves. Beide haben ihrem Vorsitzenden aber Folgschaft geleistet. Ebenso wie ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer, der "vorbehaltlich" mit Ja gestimmt hat. Einzig Wiens Bürgermeister Michael Häupl scheint eine Stütze: "Ich bin eigentlich sehr zufrieden."
Für Gusenbauer ist diese Front gegen ihn wahrscheinlich überraschend. Das gilt vor allem die streckenweise hart geführte Diskussion. 75 Prozent Zustimmung zu einem Bündnis sind für ihn ein schwerer Einstieg in die Regierung. Diese mangelnde Unterstützung könnte auch seinen Handlungsspielraum als Bundeskanzler gegenüber der ÖVP einschränken. Weniger überraschend kam dagegen das Njet der Parteijugend, von der man Widerstand geradezu erwartet.
Im Jahr 2000 hat nur Rudolf Nürnberger dem damaligen Kanzler Viktor Klima die Gefolgschaft des ÖGB für eine Zusammenarbeit mit der ÖVP verwehrt. Die Folge war der Weg in die Opposition.
Obwohl die Partei nach sieben Jahren in ebendieser Rolle wieder an die Hebeln der Macht will, scheinen sehr viele der Mitglieder das nicht um jeden Preis anzustreben. Galt Gusenbauer bis zu dieser Stunde nicht nur parteiintern als jener, der durch großen persönlichen Einsatz die Wahl überraschend gewonnen hat und somit nahezu uneingeschränkten Handlungsspielraum hatte, muss er nun danach trachten, das auf Verhandlungsebene verlorene Terrain wieder wett zu machen. Das könnte laut Beobachtern auch durchaus gelingen, wenn er es schaffe, rasch vor allem im Schul- und Sozialbereich eine sozialdemokratische Handschrift zu setzen. Mit mehr "Aufklärungsarbeit", wie Voves gemeint hatte, alleine wird das nicht gelingen.
Jugend drängt: Minderheitsregierung