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Schwerer Rückschlag

Von Anne-Beatrice Clasmann und Gregor Maye

Politik

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Schwarz und ausgebrannt liegt das Wrack des amerikanischen "Chinook"-Hubschraubers mitten in einem abgeernteten Kornfeld. Nachdem sie ihre toten und verletzten Kameraden abtransportiert haben, machen sich die US-Soldaten daran, die Fotografen zu verjagen und das westlich von Bagdad gelegene Feld abzusperren. Unweit der Abschuss-Stelle hatten Jugendliche, kurz bevor der Transporthubschrauber getroffen wurde, neben einem von unbekannten Angreifern zerstörten US-Militärfahrzeug noch diesen "Erfolg" der Guerillakämpfer ungeniert "gefeiert".

In den Ortschaften des so genannten "sunnitischen Dreiecks", wo die größte Zahl von Anhängern des entmachteten Präsidenten Saddam Hussein lebt, finden sich häufig nach Anschlägen Jugendliche und Männer auf den Straßen zusammen, um ihrer Freude Ausdruck zu verleihen, sobald die Amerikaner die Opfer und zerstörten Fahrzeuge abtransportier haben. Gelegentlich schwenken sie dabei auch Saddam- Bilder. Ob sie sich "spontan" versammeln, oder ob einige von ihnen mit den Angreifern unter einer Decke stecken und schon vorher wissen, wo die Attacke erfolgen soll, ist dabei nicht immer klar zu erkennen.

Der neue Abschuss eines amerikanischen Militärhubschraubers ist nicht nur ein schwerer Schlag für die US-Armee, sondern auch für diejenigen Iraker, die auf eine baldige Rückkehr zur Normalität hoffen. Denn die bereits im Mai angekündigte Öffnung des Flughafens Bagdad für die zivile Luftfahrt, die bisher wegen des Abschuss-Risikos immer wieder verschoben wurde, würde dem Irak ein Tor zur Welt öffnen - was für die wirtschaftliche Entwicklung extrem wichtig ist.

Gleichzeitig wächst der Druck auf US-Präsident George W. Bush. Unter den Zehntausenden von Demonstranten, die vor einer Woche in Washington für ein baldiges Ende der Besatzung demonstriert hatten, waren auch Angehörige von Soldaten, die im Irak stationiert sind oder dort im Einsatz getötet wurden. Doch obwohl sich wegen der inzwischen fast täglichen Meldungen über getötete Soldaten in den USA langsam Widerstand gegen die Besatzung regt, hatte Bush am Samstag in seiner wöchentlichen Radio-Ansprache erklärt, ein frühzeitiger Abzug aus dem Irak komme nicht in Frage. Denn dies würde "Terroristen" nach Meinung von Bush nur ermutigen und damit auch die Terrorgefahr für die USA selbst erhöhen.

Um die Moral der Truppen im Irak zu verbessern, hatte das Pentagon vor einigen Wochen ein Urlaubs-Programm gestartet, das den Soldaten eine zweiwöchige Ruhepause außerhalb des Landes ermöglicht. Die Soldaten, die am Sonntag starben, sollten mit dem Hubschrauber nach Bagdad gebracht werden, um einen Heimaturlaub anzutreten. Ob es irgendeinem Zusammenhang zwischen dem Abschuss des "Chinook"-Helikopters und den in Bagdad kursierenden Gerüchten über "Tage des Widerstands" gibt, die angeblich am Samstag beginnen sollten, kann zur Zeit noch niemand sagen. dpa