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Der Wechsel des von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu entlassenen Verteidigungsminister Yitzhak Mordechai vom Likud-Block zur neugegründeten Zentrumspartei hat in Israel ein politisches
Erdbeben ausgelöst. Netanyahu beschuldigt Mordechai, an einer "Verschwörung" beteiligt zu sein und mit der Zentrumspartei Verhandlungen geführt zu haben, während er noch als Mitglied der Regierung
fungierte.
Der Premier erklärte am Sonntag, Mordechai habe ursprünglich eine schriftliche Garantie verlangt, daß er · sollte Netanyahu wieder zum Ministerpräsidenten gewählt werden · "Nummer zwei" im Likud
werde und Verteidigungsminister bleibe. Mordechai wies dies entschieden zurück und bezeichnete Netanyahu als Lügner, der seine Glaubwürdigkeit verloren habe.
Die Gründer der Zentrumspartei · der frühere Generalstabschef Amnon Shahak, Ex-Finanzminister Dan Meridor und der Tel Aviver Ex-Bürgermeister Roni Milo · haben beschlossen, Mordechai als Premier-
Kandidaten an die Spitze ihrer Liste für die Knesset-Wahlen im Mai zu stellen. Damit wurde zum ersten Mal ein orientalischer Anwärter · Mordechai stammt aus dem Irak · für das Amt des Regierungschefs
nominiert.
Der Bruch zwischen Netanyahu und Mordechai ist insbesondere auf tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten in der Frage der Durchführung der Osloer Abkommen mit den Palästinensern zurückzuführen.
Mordechai galt in der Regierung als derjenige, der mit den Palästinensern einen Frieden mit Zugeständnissen von israelischer Seite anstrebt. Die Verzögerung der Umsetzung des Zwischenabkommens von
Wye Plantation durch Netanyahu war für Mordechai das "rote Licht". Er kam zu der Überzeugung, daß Netanyahu den Gegnern des Abkommens nachgibt, um bei den kommenden Wahlen nicht deren Unterstützung
zu verlieren.
Netanyahu war insbesondere darüber ungehalten, daß US-Präsident Bill Clinton Mordechai kürzlich überschwenglich gelobt und ihn als einziges Regierungsmitglied bezeichnet hat, das um den Frieden
besorgt sei. Netanyahu warf Clinton daraufhin Einmischung in den israelischen Wahlkampf vor.
Der Likud-Chef gab bekannt, daß er Moshe Arens, dem früheren Verteidigungsminister im Kabinett von Yitzhak Shamir, das Ressort angeboten habe. Arens gibt sich in seiner Haltung zu einem Frieden mit
den Palästinensern radikaler als Netanyahu und will deshalb am Montag im Zentralkomitee des Likud als Gegenkandidat Netanyahus zu der Wahl des Premier-Kandidaten antreten.
Die politische Arena Israels hat sich nun schlagartig verändert. Sollte es bei der Wahl des Ministerpräsidenten zu einer zweiten Runde kommen, ist nicht mehr sicher, daß dann der Vorsitzende der
Arbeiterpartei, Ehud Barak, Netanyahu gegenüberstehen wird. Es wäre durchaus möglich, daß Mordechai der Gegenkandidat des Amtsinhabers sein wird. Damit würde es eine Stichwahl zwischen zwei
Politikern geben, die bisher im Likud zusammengearbeitet haben.