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Schwerer Stand für George W. Bush

Von Ines Scholz

Politik

Für US-Präsident George W. Bush ist die UNO-Generalversammlung kaum erfreulich: Nach der wenig schmeichelhaften Einleitungsrede von UN-Generalsekretär Kofi Annan, in der er für die neue US-Doktrin der eigenmächtigen Präventivschläge gegeißelt wurde, muss er nun um die Gunst - und das Geld - von kritischen Nationen wie Frankreich und Deutschland buhlen. Zu den internationalen Differenzen gesellt sich der interne Widerstand - Bushs Umfragewerte erreichen einen neuen Rekord-Tiefstand.


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Frankreichs Präsident Jacques Chirac hat Bushs geforderte Wiederaufbau-Mithilfe und die Entsendung von Soldaten zur Unterstützung einer multinationalen Stabilisierungstruppe bereits definitiv zurückgewiesen (wenngleich er versprach, kein Veto gegen die neue UN-Resolution einzulegen) und seine Worte mit kräftiger Kritik am Irak-Kurs der USA gespickt. Auch seinen heutigen Auftritt vor der UN-Vollversammlung will Chirac dazu nützen, die Vorbehalte gegen das unilaterale US-Vorgehen im Irak zu untermauern. "In einer offenen Welt kann sich niemand isolieren, niemand kann allein im Namen aller handeln und die Anarchie einer Gesellschaft ohne Regeln akzeptieren", wird Chirac laut Vorabauszügen in seiner Rede betonen.

Rosen für Schröder

Auch Deutschland hält Kurs: Bundeskanzler Gerhard Schröder stellte sich vor seinem heutigen Treffen mit Bush im Luxushotel Waldorf-Astoria in New York demonstrativ hinter Chirac und bekräftigte noch einmal die Positionen der beiden widerspenstigen EU-Länder: Die Machtübergabe im Irak an eine Zivilverwaltung müsse innerhalb "ganz kurzer Zeit" erfolgen - was bedeute: "innerhalb von Monaten" - ansonsten gebe es keine Rückendeckung im Irak. Schröder sagte dies nach seinem Gespräch mit Kofi Annan in New York, nachdem ihm Bush zuvor in einem Interview mit dem Nachrichtensender Fox News Rosen gestreut hatte. Die Deutschen seien eben auf Grund ihrer Vergangenheit Pazifisten und hätten Saddam Hussein auch nicht als so böse empfunden, rechtfertigte Bush die Weigerung Schröders, sich am Krieg und dem Wiederaufbau zu beteiligen. Umso mehr würdigte der US-Präsident die Zusage Deutschlands, nun zumindest bei der Ausbildung irakischer Polizisten zu helfen.

So viel Entgegenkommen hatten sich nicht einmal optimistische Diplomaten in Washington erhofft, nachdem Bush sich 15 Monate lang geweigert hatte, mit dem Kriegsgegner Schröder auch nur zu telefonieren. Laut Beobachtern steckt die Strategie dahinter, einen Keil in die deutsch-französische Allianz zu treiben, der sich auch Russlands Präsident Wladimir Putin angeschlossen hatte. Zudem hofft Washington, dass Berlin sich letztlich doch noch mit Milliardenhilfe im Irak beteiligt.

Bushs Buhlen um Verbündete rührt derzeit vor allem aus dem aufziehenden Wahlkampf. In gut 13 Monaten stehen wieder Präsidentenwahlen an. Bush scheint die wenig gute ökonomische Lage zu fürchten. Schon sein Vater George Bush hatte wegen Steuer- und Wirtschaftsfragen nach einem siegreichen Irak-Feldzug ein gutes Jahr später die Wahl verloren. Vor diesem Hintergrund werden die 87 Mrd. Dollar, die Bush im Kongress zusätzlich für den Irak beantragt hat, zu einem gefährlichen Argument seiner politischen Gegner. Die Zustimmung zu Bush erreichte laut Gallup-Umfrage bereits einen neuen Tiefstand. 47 Prozent sind mit der Politik des Präsidenten unzufrieden. 49 Prozent würden ihre Stimme, wären am Sonntag Wahlen, dem demokratischen Bewerber und früheren NATO-Kommandeur Wesley Clark geben.

Bezüglich der Irak-Frage macht sich das Weiße Haus trotz aller Bemühungen um internationale Rückendeckung keine Illusionen über die Zugeständnisse, die im besten Fall für die USA herausspringen können. Zwar dürfte es, nachdem Frankreich versprochen hat, kein Veto einzulegen, Washington gelingen, eine UNO-Resolution im Sicherheitsrat durchzusetzen, die den Weg zu Geldern und ziviler Hilfe ebnet, doch massive finanzielle Unterstützung wird es kaum geben, solange die US-Besatzungsmacht in Bagdad die Irak-Agenden nicht an die UNO oder gar eine irakische Führung abgibt. Und das hat Bush bisher ausgeschlossen.