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Kein Stimmrecht und kein Gehalt? | Streit um Frankreichs Nachbesetzungen. | Brüssel. Das Europäische Parlament sollte nach dem Lissabonner Vertrag nicht nur mehr Kompetenzen sondern auch 18 zusätzliche Abgeordnete bekommen. Die neue Rechtsgrundlage der Union ist zwar schon seit fast vier Monaten in Kraft. Doch bisher dürfen die Neuen noch nicht einmal als Beobachter ohne Stimmrecht dem Brüsseler Treiben beiwohnen.
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Hintergrund ist ein Streit über die Besetzung der beiden neuen französischen Sitze. Der neue EU-Vertrag muss noch abgeändert, der Zusatz in allen 27 Mitgliedstaaten ratifiziert werden.
Nach Auskunft des Parlaments gibt es bisher auch kein Budget für die Bezahlung der Beobachter, sie bekämen zwar Unkosten ersetzt aber kein Gehalt. Zwar gab es schon bisher stimmrechtslose Abgeordnete aus Kandidatenländern vor deren EU-Beitritt. Die wurden aber stets von ihren nationalen Parlamenten bezahlt. Erst seit dieser Legislaturperiode werden das Gehalt von knapp 7700 Euro pro Monat und die rund 19.000 Euro Sekretariatszulage vom EU-Parlament selbst abgewickelt.
Wann der neue Kollege Joe Weidenholzer in Brüssel eintreffe, sei daher schwer abzuschätzen, meinte SPÖ-Delegationsleiter Jörg Leichtfried zur "Wiener Zeitung": "Das hängt von einigen Dingen ab, die kompliziert ineinandergreifen." Erst wenn die Ratifizierung abgeschlossen sei, könne Weidenholzer voller EU-Abgeordneter werden. Als Beobachter erwarte er den Volkshilfe-Präsidenten vor oder nach dem Sommer. Davor müssen die EU-Länder die Vertragsänderung einstimmig beschließen.
Nicht vom Volk gewählt
Denn laut dem Lissabonner Vertrag hat das EU-Parlament 751 Abgeordnete. Zwölf Länder bekommen zwischen einem Sitz und vier Sitzen dazu, Österreich erhält je einen für SPÖ und BZÖ. Dafür darf kein Staat künftig mehr als 96 Parlamentarier entsenden. Weil die europäischen Wahlen letzten Juni aber noch auf Basis des Vertrags von Nizza abgehalten wurden, sitzen derzeit 99 Deutsche im Plenum. Bis 2014 muss die Gesamtzahl daher auf 754 Abgeordnete aufgestockt werden, was unstrittig ist.
Doch gibt es Widerstand gegen den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, einfach zwei nationale Abgeordnete nachzunominieren, die nie vom Volk für das Europaparlament gewählt worden sind. Denn während in 26 Ländern schlicht jene Kandidaten mit den meisten Stimmen bei den EU-Wahlen 2009 nachrücken, gibt es eine solche Liste in Frankreich nicht. Dort wird für Brüssel nur auf regionaler Ebene kandidiert. Auch Großbritannien, Italien und Polen hätten ihre neuen Abgeordneten noch nicht gemeldet, hieß es im Parlament.
Auch unter den Mitgliedstaaten werde Sarkozys Vorgehensweise nicht goutiert, meinte ein Diplomat. Bei der Ratifizierung der Vertragsänderung durch die nationalen Parlamente fürchten manche, dass das Lissabon-Thema noch einmal aufkochen könnte. Spanien, das mit vier neuen Abgeordneten die meisten bekommt, hofft auf eine Ratifizierung bis Ende 2010.