Unternehmen mit Engagements auf dem russischen Markt haben es derzeit schwer. Rückzug und damit Komplettverlust oder Weitermachen unter erschwerten Bedingungen sind ihre Optionen.
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Scharenweise verlassen internationale Unternehmen Russland. Der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Einschränkungen und Sanktionen machen Engagements auf russischem Boden schwierig. Wer seine Geschäfte weiterführen will, muss sich einer Vielzahl von Herausforderungen stellen.
Probleme gibt es zunächst beim Zahlungsverkehr. Einerseits unterliegen einige russische Banken ebenso wie Firmen und Privatpersonen dem Ausschluss aus dem internationalen Zahlungssystem Swift - es könnten mit Verschärfung der Sanktionen noch mehr werden.
Daher müssen Unternehmen laufend überprüfen, ob ihre Kunden und Partner in Russland auf der Sanktionsliste des Westens gelandet sind, was ein Ende der Geschäftsbeziehungen bedeuten würde.
Zudem stellten mit 10. März die Kreditkartenanbieter Visa, Mastercard und American Express ihre Geschäfte in Russland ein. Auch die Zahlungsdienstleister Apple Pay und Google Pay funktionieren seit diesem Datum in Russland nicht mehr.
Bezahlung in Rubel
Außerdem ist die Einfuhr von Euro-Banknoten nach Russland verboten und nur für den Eigengebrauch zulässig, wie von Seiten der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) ausgeführt wird. Das russische Präsidialamt hat ein Dekret verabschiedet, wonach die Ausfuhr von Fremdwährungen mit einem Wert von mehr als umgerechnet 10.000 Dollar untersagt ist. Neue Schulden werden nicht mehr in Fremdwährungen bedient, der russischen Bevölkerung ist es verboten, Fremddevisen ins Ausland zu überweisen.
Darüber hinaus müssen Unternehmen, die noch in Russland tätig sind, berücksichtigen, dass sich die gesamte EU, und damit auch Österreich - nun auf einer russischen Liste der "unfreundlichen Staaten" befindet, gibt die WKO zu bedenken.
Das bedeutet, dass russische Unternehmen und staatliche Organisationen ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber diesen ausländischen Partnern ausschließlich in russischen Rubel begleichen.
"Zu diesem Zweck kann der Schuldner die russische Bank bitten, ein spezielles Rubelkonto lautend auf den Namen eines ausländischen Gläubigers zu eröffnen und Zahlungen in Rubeläquivalent zum Wechselkurs der Zentralbank am Zahlungstag an dieses zu überweisen", führt man auf den Infoseiten der WKO aus. Angesichts des laufend fallenden Rubelkurses ist eine Bezahlung in der russischen Landeswährung derzeit natürlich wenig attraktiv.
Neue Geschäfte von Firmen aus Staaten, die "unfreundliche Handlungen gegenüber Russland begehen", etwa mit Immobilien, Aktien, Anleihen und Krediten, unterliegen einer Genehmigungspflicht in Russland.
Auch der Warentransport von und nach Russland ist stark eingeschränkt. Auf den Straßen ist der Transport schon aufgrund von Sicherheitsbedenken zum Erliegen gekommen. Der Luftraum ist in Russland für europäische Luftlinien und in der EU für russische Airlines gesperrt. Die Situation ändert sich von Tag zu Tag, aber viele Speditionsunternehmen wie DHL, Fedex, TNT und UPS bringen bereits keine Ware mehr per Luftweg nach Russland, so die WKO. Der Transit via Bahn funktioniert teilweise - noch.
Der Seeweg ist derzeit nur schwer möglich. Große Reedereien wie Maersk und Hapag Lloyd haben ihr Geschäft mit Russland eingestellt, wickeln teils nur noch bereits zuvor gebuchte Ladungen ab. Russischen Schiffen droht ein Einlaufverbot in EU-Häfen, eine offizielle Entscheidung der EU hierzu stand zu Redaktionsschluss noch aus. Großbritannien hat seine Häfen für russische Schiffe bereits gesperrt. Hunderte Schiffe sitzen zudem in Häfen fest, da das Schwarze Meer und das Asowsche Meer zum Kriegsgebiet erklärt wurden. Große Handelshäfen wie Hamburg, Rotterdam und Antwerpen fertigen keine Container aus und nach Russland mehr ab.
Mit den Lieferketten gab es schon pandemiebedingt Probleme. Sie werden sich nun wohl nicht verbessern.
Ausstiegsszenarien
Zwischen den Kapitalkontrollen Russlands und den Sanktionen des Westens wird es also immer schwieriger, die Geschäfte in Russland fortzuführen und dort mit Kunden und Lieferanten zusammenzuarbeiten. Viele Unternehmen gaben daher bereits ihren – vorläufigen – Rückzug bekannt, zuletzt etwa Coca Cola, McDonalds und Starbucks.
Allerdings droht Unternehmen, die wegen des Ukraine-Krieges das Land verlassen, eine Verstaatlichung ihrer Betriebe und Produktionsstätten. Russland gab zuletzt bekannt, an Schritten zu arbeiten, eine Insolvenz der Unternehmen und dann eine Nationalisierung des Besitzes in die Wege zu leiten. Noch gibt es kein Gesetz dafür, aber das Parlament könnte demnächst darüber entscheiden. Befürchtet wird ein solches Vorgehen schon länger, daher haben viele westliche Firmen auch nur mitgeteilt, dass der Betrieb "ausgesetzt" werde.
Es gibt allerdings auch andere Exit-Versionen als den kompletten Ausstieg samt Schließung der Niederlassungen oder Produktionsstätten, Entlassen aller Mitarbeiter vor Ort - und damit hoher Verluste.
Zwischenzeitlich einen russischen Treuhänder einzusetzen wäre eine davon. Dabei bleibt allerdings die Ungewissheit, ob dieser die Kontrolle je wieder abgeben wird.
Banken in der Zwickmühle
Während Industriekonzerne ihre Zelte relativ rasch abbrechen können, ist ein solcher Schritt für Banken wesentlich schwieriger. Kredite und andere Verpflichtungen hindern sie daran, von heute auf morgen aus einem Markt auszusteigen. Falls die Banken ihren Verpflichtungen nämlich nicht nachkommen, drohen ihnen Klagen von Kunden in Russland.
Eine besondere Herausforderung ist es für die Banken ohnehin, die aktuellen Sanktionen in ihre technischen Systeme zu integriere, um diese nicht zu brechen.
Bisher hat noch keine internationale Bank Russland vollständig Adieu gesagt. Allerdings sind die großen Geldhäuser dabei, ihre Möglichkeiten durchzurechnen, wobei es für einen Verkauf zu spät sein dürfte. Es kommen daher nur Abwicklung oder Abschreibung in Frage.
Einige Banken überlegen nun offenbar, einen Rumpf-Betrieb aufrecht zu erhalten, um sich künftig nicht erneut um eine Banklizenz bewerben und ihr Geschäft völlig neu aufbauen zu müssen, hieß es von einem Insider dazu gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
Milliarden-Verluste drohen
Eine vollständige Abschreibung des Russland-Geschäfts würde etwa die italienische Großbank UniCredit rund 7,4 Milliarden Euro kosten. Die Muttergesellschaft der Bank Austria gehört zu den europäischen Geldhäusern, die besonders stark in Russland engagiert sind.
Ausländische Geldhäuser haben laut Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel ein Russland-Risiko von etwa 120 Milliarden Dollar. Von den Einzelinstituten ist die österreichische Raiffeisen Bank International besonders stark im Risiko, mit 22,85 Milliarden Euro.
Der norwegische Staatsfonds, der größte der Welt, - hat den Wert seiner in Russland gehaltenen Vermögenswerte in Höhe von rund drei Milliarden Dollar bereits überwiegend abgeschrieben. Der Fonds war Ende 2021 in Russland über Aktien an immerhin 51 Unternehmen beteiligt. Die wertvollsten davon waren Gazprom, Sberbank und Lukoil, also eine Bank sowie zwei Energiekonzerne.