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Schwierige Beziehung zum UNO-Tribunal

Von Sissi Eigruber

Europaarchiv

Obwohl es Kroatien bei den makroökonomischen Daten durchaus mit jenen Ländern aufnehmen kann, die 2004 der EU beitreten werden, wird Kroatien vielleicht auch bei der nächsten geplanten Erweiterungsrunde 2007 wieder nicht dabei sein. Der Grund dafür liegt mehr im Politischen als im Wirtschaftlichen.


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Sinj (Kroatien) am 15. August 2003: Reiter und Musikanten in alten Kostümen ziehen über eine sandbedeckte Straße im Stadtzentrum. Die Akteure der

traditionellen Reiterspiele "Sinjska alka", die jährlich im Gedenken an den Sieg über das türkische Heer im Jahre 1715 stattfinden, ziehen ein. Unter ihnen eine alte Frau, die ein modifiziertes Werbeplakat der Veranstaltung mit der Abbildung des wegen Kriegsverbrechen verurteilten kroatischen General Mirko Norac trägt. "Wir alle sind Mirko Norac. Da wir frei sind, sollten wir unsere Befreier nicht hergeben", steht auf dem Plakat. Ein Zuschauer läuft zu ihr und küsst sie auf die Wange - das Publikum applaudiert. Große Teile der kroatischen Bevölkerung stehen hinter ihren Befreiern. Im Oktober vergangenen Jahres hat die kroatische Adriastadt Sibenik unter anderem Ante Gotovina und Mirko Norac zu Ehrenbürgern ernannt.

"Mirko Norac ist hier früher immer mitgeritten - später wurde er auch hier versteckt", erklärt ein Einheimischer in perfektem Deutsch im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" am Rande der Reiterspiele in Sinj. Im März dieses Jahres wurde der ehemalige General Mirko Norac von einem kroatischen Gericht zu 12 Jahren Haft verurteilt. Er wird für die Deportation und Ermordung von serbischen Zivilisten in Gospic im Jahre 1991 verantwortlich gemacht. Norac war vom UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag angeklagt worden.

Nun steht ein anderer Ex-General auf der Liste des UNO-Tribunals: Ante Gotovina. Auch er ist wegen Verbrechen an serbischen Zivilisten angeklagt. Ob auch er in Kroatien versteckt wird? "Wir wissen nicht, wo er ist", erklärte gestern der kroatische Botschafter in Österreich, Drazen Vukov Colic im Rahmen eines Pressegesprächs bei Roland Berger. Colic kritisiert Ungereimtheiten bei den Vorwürfen gegen Gotovina, die das Tribunal vor einer Anklage hätte klären sollen. Die Zusammenarbeit Kroatiens mit dem Tribunal in Den Haag ist ausschlaggebend für den Weg des Landes in die EU. Am Donnerstag wird die UNO-Chefanklägerin Carla del Ponte dem UN-Sicherheitsrat einen Bericht über die Kooperationsbereitschaft Kroatiens in punkto Kriegsverbrecher übergeben. Dem kroatischen Fernsehsender HTV zufolge hat die UNO-Chefanklägerin bei ihrem gestrigen Besuch in Zagreb an Gotovina appelliert, sich zu stellen und damit seinem Land am Weg in die EU zu helfen.