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Sozialisten von Milosevic feiern großes Comeback. | Belgrad. (apa) Der Wahlsieg der prowestlichen Demokratischen Partei (DS) des serbischen Präsidenten Boris Tadic bei der Parlamentswahl am Sonntag hat zweifelsohne auch die größten Optimisten überrascht, wenngleich er nicht unangekündigt kam. Ausschlaggebend für die Wahlergebnisse durften nicht nur die Unterzeichnung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens (SAA) mit der Europäischen Union, sondern auch eine kürzliche Einigung mit dem italienischen Autokonzern Fiat über die Übernahme des im serbischen Kragujevac ansässigen Automobilherstellers Zastava gewesen sein.
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Das prowestliche Parteienlager sicherte sich in der zentralserbischen Stadt, dem Geburtsort des größten Opponenten und amtierenden Chefs der Serbischen Radikalen Partei (SRS), Tomislav Nikolic, sogar 60 Prozent der Stimmen. Nicht bedeutungslos war zudem die Entscheidung der Regierung vom vergangenen Freitag, das SAA, Voraussetzung für einen EU-Beitritt des Landes, zu bestätigen. Das wichtigste Wahlkampfziel des nationalkonservativen Premiers Vojislav Kostunica, die SAA-Ratifizierung zu verhindern, wurde damit unterhöhlt.
Doch Tadic dürfte noch beträchtliche Probleme haben, eine Koalitionsregierung auf die Beine zu stellen. Auch unter den Belgrader Analysten wird nicht gänzlich ausgeschlossen, dass die glänzenden DS-Wahlergebnisse, die sich nach inoffiziellen Wahlergebnissen 103 der 250 Parlamentssitze sicherte, nur ein weiterer Pyrrhussieg Tadic' werden könnten.
Argumente für diese These gibt es genügend. Gleich nach dem Sieg bei der Präsidentenwahl im Februar musste sich der Staatschef und Vorsitzende der größten Regierungspartei, mit dem Versuch seines Partners, der Demokratischen Partei Serbiens (DSS) von Kostunica, auseinandersetzen, die EU-Eingliederung Serbiens zu untergraben. Die EU-Annäherung war das Hauptziel seines Wahlkampfes und seiner DS-Partei. Die DSS knüpfte nach der Ausrufung der Unabhängigkeit des Kosovo Mitte Februar eine weitere EU-Annäherung Serbiens an die Achtung der territorialen Integrität Serbiens samt dem Kosovo.
Andererseits bekundete Nikolic bereits in der vergangenen Nacht die Absicht, eine nationalistische Regierungskoalition zu bilden, wenngleich seine SRS mit 77 Sitzen künftig vier weniger als bisher haben und wesentlich hinter den Demokraten bleiben wird. Der SRS-Vize machte keinen Hehl aus seinen Erwartungen. Die neue Regierung würden die SRS, die DSS und die Sozialistische Partei (SPS) bilden, oder es werde keine Regierung geben, unterstrich er. Das Ausbleiben einer Feierstimmung im SRS-Sitz zeugte allerdings klar davon, dass die Erwartungen der Nationalisten am Sonntag weit verfehlt wurden.
Eine erneute Regierungskoalition mit dem Demokraten Tadic' kommt für ihn wegen "unüberwindbarer" Unterschiede allerdings nicht mehr infrage, hatte DSS-Chef Kostunica bereits früher klar gestellt.
Alle Karten scheint zur Zeit die in den letzten Jahren fast vergessene Sozialistische Partei in Händen zu haben. Sie feierte am Sonntag mit 20 Parlamentssitzen ein großes Comeback in die Politik. Ihr Chef, Ivica Dacic, einst Mitarbeiter von Slobodan Milosevic, wollte das Blatt nicht aufdecken. Er wolle zuerst mit Kostunica reden, die frühere DSS-Minderheitsregierung war zwischen 2004 und 2007 gerade auf SPS-Unterstützung angewiesen.
In Kreisen von Analysten und Meinungsforschern gilt unterdessen eine Regierung der Demokratischen Partei mit den drei Bündnissen der ungarischen, bosniakischen und albanischen Volksgruppe, die mit insgesamt sieben Abgeordneten den Sprung ins Parlament geschafft haben und der Sozialistischen Partei am wahrscheinlichsten. Eine solche Regierungskoalition könnte mit 130 von 250 Parlamentssitzen rechnen. Nicht ausgeschlossen wäre auch eine Minderheitsregierung, die von den Sozialisten, wahrscheinlich auch der Liberaldemokratischen Partei des ehemaligen Vizepremiers Cedomir Jovanovic unterstützt würde.
Vinko Djuric, Leiter der Meinungsforschungsagentur "Ipress" hält eine solche Regierungskoalition allerdings nicht für sehr wahrscheinlich. Die Sozialisten müssten im Falle einer Koalition mit der Demokratischen Partei den Verlust eines bedeutenden Teils ihrer Anhänger befürchten. Denn die Festnahme ihres Parteichefs Milkosevic im Frühjahr 2001 war gerade ein Werk des damaligen serbischen Premiers und DS-Chefs, Zoran Djindjic.