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Jerusalem - Der offensichtlich mit niemandem in der Partei abgesprochene völlig politische Rückzug Ehud Baraks nach dem Wahldebakel vom Dienstag hat die israelische Arbeitspartei in eine tiefe Krise gestürzt. Sowohl die Frage, ob man in eine Koalition der Nationalen Einheit mit Likud-Chef Sharon eintreten soll als auch die Frage der Nachfolge Baraks droht die Partei zu spalten.
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Nach Barak hat auch sein Wahlkampfmanager und parlamentarische Klubchef der Partei, Eli Goldschmidt seinen Rückzug aus der Politik angekündigt und einige seiner Parteikollegen als eine "Bande von Messerstechern" bezeichnet.
Der Generalsekretär der Arbeitspartei, Ra'anan Cohen schlug vor, in den nächsten vier bis sechs Monaten eine neue Parteiführung zu wählen und erteilte Vorschlägen, Regionalminister Shimon Peres als Interimsvorsitzenden zu bestellen, eine klare Absage. Das Parteistatut sehe vor, dass er selbst die Partei interimistisch führen soll, sagte Cohen, der auch dafür eintritt, das Koalitionsangebot Sharons ernsthaft in Betracht zu ziehen. Er befindet sich damit auf einer Linie mit Wohnbauminister Benjamin Ben-Eliezer, der sich auch Hoffnungen auf die Parteiführung macht.
Deutlich abgelehnt wird eine Koalition mit Sharon von Justizminister Yossi Beilin, der bei einem solchen Schritt eine Parteispaltung befürchtet und die Möglichkeit andeutete, dass er in diesem Fall gemeinsam mit Außenminister Shlomo Ben Ami und einigen weiteren Knessetmitgliedern sich mit Amnon Lipkin-Shahak und Yitzhak Rabins Tochter Dalia Rabin-Pelosoff und der Meretz-Partei zu einer neuen Sozialdemokratischen Partei zusammenschließen könnte.
Als neue Parteichefs für die Arbeitspartei werden aber vor allem vier Namen gehandelt. Der 77-jährige Shimon Peres, der Architekt des Osloer Friedensabkommens von 1993 hätte den Vorteil, dass nicht jüngere aufsteigende Mitglieder der Partei vorzeitig verheizt werden.
Doch dürfte Peres, der im Vorjahr bei den Präsidentenwahlen als sicherer Nachfolger für Präsident Ezer Weizman galt und dann doch letzten Endes von dem politischen Leichtgewicht Moshe Katzav vom Likud-Block besiegt wurde, wenig geneigt sein, wieder einmal den Lückenbüßer zu spielen.
Parlamentspräsident Avraham Burg, der 45-jährige Sohn des langjährigen Chefs der Nationalreligiösen Partei und vielfachen Ministers Josef Burg, der 1999 gegen den Willen Baraks in dieses Amt gewählt wurde, ist dafür, Peres die zeremonielle Position eines Parteipräsidenten anzutragen und will selbst für den Parteivorsitz kandidieren. Er will sich mit seinem Verbündeten, Innenminister Chaim Ramon (50), ebenfalls ein parteiinterner Barak-Gegner und Kandidat für das Amt des Parteichefs darüber einigen, wer bei den nächsten Wahlen die besseren Chancen hat, die Arbeitspartei wieder an die Regierungsspitze zu bringen.
Schließlich wird auch noch der Name des 57-jährigen Außenministers Shlomo Ben Ami im Barak-Nachfolgespiel genannt. Er gilt als "Taube" innerhalb der Partei und verkörpert wegen seiner marokkanischen Herkunft die Hoffnung bei den sephardischen Juden orientalischer Herkunft zu punkten.