Iran-Deal sollte Grundlage für neue regionale Sicherheitsarchitektur schaffen - doch sunnitische und schiitische Extremisten stören Obamas Plan.
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"Gute Verhandlungen dauern ungefähr so lang, wie ein Elefant trächtig ist" (22 Monate), bemerkte der britische Diplomat Harold Nicolson 1960. Das trifft auf die sich hinziehenden Atomgespräche mit dem Iran zu, wenn es sich auch in diesem Fall um eine Totgeburt handeln könnte. Bis Mittwochabend feilschten die Verhandler noch über den Rahmen, einige Details bleiben verschwommen.
Das ist ein schlechtes Zeichen, besonders für die Zustimmung des US-Kongresses, der sich für Sanktionen entscheiden könnte, wenn den Kongressmitgliedern das Abkommen zu vage erscheint.
Der Prozess des Verhandelns ist jedoch fast so wichtig wie die Frage, ob es ein dauerhaftes Abkommen geben wird. Das Engagement zwischen den USA und dem Iran ist heute Tatsache: Seit mehr als 18 Monaten verhandelt der Iran direkt mit einer Macht, die er einst als "großen Satan" dämonisierte. Sicher gibt es iranische Hardliner, aber die Nation, die unisono rief "Death to America", ist verschwunden, wahrscheinlich für immer.
Die neuen Beziehungen sind eine bedeutsame Errungenschaft der Regierung von US-Präsident Barack Obama. Der Iran ist nun ein diplomatischer und politischer Faktor in der Regional- und Weltpolitik, im Guten wie im Schlechten. Die US-Strategie ist richtig, den aufstrebenden Iran davon abzuhalten, Atomwaffen zu bauen, ohne so zu tun, als existierte er nicht.
Obamas Anteil an dieser Entwicklung kann man leicht übersehen, da seit 2013 so viel von seinem unermüdlichen Außenminister John Kerry getan wird. Aber von Obama stammt das Konzept. Die Beziehung zum Iran aufzubauen ist ein Musterbeispiel der Geheimdiplomatie, initiiert 2012 von der damaligen Außenministerin Hillary Clinton. Die Schlüsselverhandler waren zwei brillante graue Eminenzen der Diplomatie, die früheren Mitarbeiter der US-Außenministeriums William Burns und Jake Sullivan.
Obamas umsichtige Leitung der Verhandlerkoalition, obwohl sie ihn in Sachen Ukraine und Syrien schwächt, hilft, den Druck auf Teheran aufrechtzuhalten. Der Iran hatte gehofft, Russland und China vom Westen zu trennen, aber die Szenen der letzten Wochen aus der Schweiz ergeben ein anderes Bild.
Was Obama nicht vorhersehen konnte, ist, wie die arabischen Revolutionen seit 2010 die Regime in Ägypten, Syrien, Libyen und Jemen zerschlagen und die sunnitische Welt geschwächt haben. Besonders Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate waren entsetzt. Der Iran, durch Stellvertreter an den Kämpfen beteiligt, schien auf dem Vormarsch. Eine regionale Einigung mit Teheran wurde fast unvorstellbar. Die sunnitische Welt war zu schwach für ein bedeutendes Abkommen.
Nur wenn sunnitische Staaten Unterstützung zur Verteidigung gegen die Macht des Irans bekommen, können sie sich jemals selbstsicher genug für umfassende Verhandlungen mit dem Iran fühlen, die die Region wirklich stabilisieren können. Obama hat diese Woche neuerliche Militärunterstützung für Ägypten angekündigt. Das wird den sunnitischen Mächten mehr Stärke geben, sunnitischem und schiitischem Extremismus zu entgegnen. Es ist gut, die Details der Atomverhandlungen mit dem Iran im Auge zu behalten, aber viele der großen, umwälzenden Veränderungen in der Region sind bereits im Gange.
Übersetzung: Hilde Weiss