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Während in der Ostukraine neue Kämpfe aufflammen, gibt es zwischen Kiew und Moskau Anzeichen der Entspannung.
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Donezk/Kiew. Schalmeientöne sind es noch keine, die zwischen Kiew und Moskau ausgetauscht werden. Aber gemessen an der Eskalation der Worte in den letzten Monaten herrschte am Montag, dem Tag eins nach der ukrainischen Präsidentenwahl, fast schon Tauwetter zwischen den beiden Staaten. Der künftige, mit großer Mehrheit gewählte ukrainische Präsident Petro Poroschenko ließ ebenso wie Russlands Außenminister Sergej Lawrow seine Bereitschaft zu Krisengesprächen erkennen, um einen Weg aus der verfahrenen Situation in der Ostukraine zu finden. "Ohne Russland kann man nicht über eine ernsthafte Sicherheit in unserer Region sprechen. Wir werden ein geeignetes Format finden, und ein Treffen mit Putin wird es zweifellos geben", sagte der prowestliche Politiker, der auch genügend Kontakte ins russophile Lager in der Ukraine hat.
Lawrow reagierte positiv und zeigte sich zu einem Dialog mit Kiew bereit. Dabei brauche man aber "keine Vermittler" von der Art des georgischen Ex-Präsidenten Michail Saakaschwili. Witali Klitschko, der am Sonntag zum neuen Bürgermeister von Kiew gewählt wurde, hatte den Gegner Russlands im Krieg um Südossetien 2008 als Mitglied eines Vermittlerteams vorgeschlagen.
Von einer Anerkennung des Wahlergebnisses sprach Moskau nicht. Gleichwohl sagte Lawrow: "Dass die Abstimmung in vielen Teilen der Ukraine organisiert werden konnte, ist im Großen und Ganzen eine positive Tatsache." Auch Poroschenko zeigte sich bereit, auf Russland zuzugehen. So solle etwa die russische Sprache einen offiziellen Status in den russisch geprägten Gebieten der Ostukraine erhalten.
Entwaffnung des Maidan?
Trotz dieser leichten Annäherung liegen Russen und Ukrainer noch weit auseinander. Der russische Außenminister forderte den künftigen Präsidenten auf, die "Anti-Terror-Operation" gegen prorussische Kräfte im Osten der Ukraine zu stoppen und zu den in Genf gefassten internationalen Beschlüssen zurückzukehren. Dazu würde auch die Entwaffnung des "Maidan" in Kiew gehören, für die sich am Montag Witali Klitschko ausgesprochen hat. Poroschenko hingegen will die Militäroperationen im Osten fortführen. Gespräche mit den prorussischen "Terroristen" lehnt er weiter ab. Außerdem kündigte der Schoko-Oligarch an, alle rechtlichen internationalen Mittel gegen das Vorgehen Russlands auf der Krim ausschöpfen zu wollen - auf UNO-Ebene und beim Menschenrechtsgerichtshof.

In der Ostukraine war gestern von einer Deeskalation jedenfalls nichts zu spüren - im Gegenteil: Bewaffnete Separatisten hatten in der Nacht auf Montag den Flughafen in Donezk besetzt. Am Montagmittag setzte dann ein von Kampfhubschraubern mit Fallschirmjägern unterstützter Großeinsatz der Armee ein. Teile von Donezk wurden evakuiert, auch beim Bahnhof soll es Kämpfe gegeben haben. Zudem kamen bei Gefechten in der Nähe von Slawjansk zwei prorussische Kämpfer ums Leben. "Dass die neue Eskalation ausgerechnet während eines politischen Tauwetters erfolgt, könnte bedeuten, dass sich die Dinge in der Ostukraine verselbstständigt haben und Russland keine Kontrolle über die Separatisten mehr hat", vermutet der Politologe Kyryl Savin. "Es wäre freilich auch möglich, dass Moskau Druck aufbaut, um aus einer besseren Position Verhandlungen zu starten", sagte der Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Kiew der "Wiener Zeitung". Für den Kreml sei hauptsächlich wichtig, dass ein Nato-Beitritt der Ukraine verhindert werde. Auch einem EU-Beitritt Kiews steht Moskau ablehnend gegenüber.
EU begrüßt Entspannung
Die EU selbst hat die Präsidentschaftswahl in der Ukraine als Chance für einen Neuanfang begrüßt und die Bereitschaft Russlands zu einem Dialog mit der neuen ukrainischen Führung positiv hervorgehoben. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatte die Wahlen am Montag als rechtmäßig eingestuft. Gudrun Mosler-Tornström, die Leiterin des Beobachtungsteams des Europarates, verwies allerdings auch auf das "organisatorische Chaos" bei der Wahl in Kiew, das dadurch bedingt gewesen sei, dass neben den Präsidenten- auch Lokalwahlen stattgefunden haben.
Im Gasstreit Moskaus mit der Ukraine drängt nun EU-Energiekommissar Günther Oettinger Kiew zum Begleichen seiner Milliardenschulden. "Bei allem, was an Vorwürfen gegenüber Russland gemacht werden kann, Rechnungen sind auf dem Tisch und Rechnungen müssen bezahlt werden", sagte Oettinger. Es gehe darum, die Ukraine in die Lage zu bringen, diese offenen Rechnungen zu bezahlen. Der EU-Energiekommissar wollte sich so schnell wie möglich in Berlin mit den Energieministern Russlands und der Ukraine zusammenkommen, um über einen Kompromiss zu beraten. Der russische Energieminister Alexander Nowak deutete vor Beginn der Gespräche Kompromissbereitschaft an. Wenn Kiew seine bisherigen Zahlungsverpflichtungen erfülle, sei Russland bereit, über weitere Gaspreisrabatte zu reden.