Von der Krise profitieren ist leichter gesagt als getan. | Mit dem einstimmigen Beschluss der Bundeshaftung über 900 Millionen Euro hat die Politik ihre Pflicht erledigt: Das Worst-case-Szenario, der Bankrott der Bawag, ist abgewendet. Damit sind auch die - zumindest öffentlich inszenierten - Gemeinsamkeiten zwischen den Parteien erschöpft. Ab jetzt geht es für die Parteien darum, für sich selbst jeweils das Beste aus der Affäre zu machen.
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Das ist für die Parteimanager allerdings leichter gesagt als getan. Der Grund dafür liegt im unterschiedlichen Politik-Zugang von Stamm- und Wechselwählern. So wird sich beispielsweise das Mitgefühl in schwarzen Kernschichten mit einer am Boden liegenden Gusenbauer-SPÖ in eher engen Grenzen halten. Sie dürstet vielmehr nach kernigen Sagern über die "rote Misswirtschaft".
So mancher Wechselwähler, der nun mit der Wahl der ÖVP liebäugelt, könnte sich von Stammtischparolen dieser Art jedoch abgestoßen fühlen. Diese Gattung Wähler bevorzugt eher Politik nach dem Motto "tue Gutes und rede darüber", beeindruckt sie doch seriöses Krisenmanagement und praktizierte Wirtschaftskompetenz sehr viel mehr.
Die SPÖ auf der anderen Seite steht vor einem ähnlichen Spagat. Mit einem herzhaften "Jetzt erst recht!" lassen sich ihre Stammwähler auch in solchen Krisenzeiten durchaus mobilisieren. Das haben etwa die jüngsten Personalvertretungswahlen bei den Wiener Gemeindebediensteten oder der Aufmarsch am 1. Mai bewiesen. Jedes Wort des Spottes aus dem Mund des Gegners verdrängt hier den Frust über die eigene Krise. Nur die SPÖ-affinen Wechselwähler lassen sich so nicht halten. Um ihren Abgang zu verhindern, muss das Bawag-Thema von der Tagesordnung.
Politik ist mitunter eben auch die Kunst, zwei Dinge gleichzeitig - und das auch noch gleich glaubwürdig - zu tun.