Der britische Premier Tony Blair befindet sich kurz vor Beginn seines EU-Vorsitzes in einer schwierigen Lage. Seine Argumentation für die Ablehnung des künftigen Finanzrahmens hat eine Grundsatzdiskussion ausgelöst. Dabei hat Blair auch traditionelle Verbündete bei seinem Kampf für einen wettbewerbsfähigen Wirtschaftsraum Europa brüskiert.
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Blair hat am Montag die hohen EU-Ausgaben für Agrarsubventionen als sinnlos bezeichnet und erneut eine umfassende Reform des EU-Haushaltes gefordert. Die EU müsse sich einer "enormen globalen Herausforderung" stellen und mehr Geld für Wissenschaft, Technologie und Bildung statt für die Landwirtschaft aufwenden, sagte er. Mit dieser Argumentation zur Verteidigung des britischen Beitrags-Rabatts hatte der designierte EU-Ratspräsident bereits Ende letzter Woche einen Graben zwischen den EU-Staaten geöffnet.
Entfremdet hat er sich dabei nicht nur dem deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder und seinem Hauptkontrahenten an der Agrar-Front, Frankreichs Präsident Jacques Chirac - die beiden führen die Fraktion an, die sich für eine politische Vertiefung der Union einsetzt. Auch die neuen Mitgliedsstaaten, die üblicherweise die britische Linie vom freien Markt, weniger Regulierung und für mehr Wettbewerbsfähigkeit unterstützen, waren enttäuscht. Selbst bei ihrem letzten Anlauf zur Rettung des Budgets durch Verzicht auf einige Förderungen prallten sie am "mangelnden politischen Willen für eine Einigung" ab, wie es der Luxemburgerer Premier und noch amtierende Ratsvorsitzende Jean-Claude Juncker formulierte. "Am Egoismus der Reichen" sei der Budget-Kompromiss der Luxemburger gescheitert, erklärte auch der polnische Premier Marek Belka.
Für eine Aussöhnung müssten sowohl die Befürworter des "alten sozialen Europa" als auch die liberalen Wirtschaftsreformer zu Zugeständnissen bereit sein, schrieb der Blair-Vertraute und Handelskommissar Peter Mandelson in der Londoner Zeitung "The Guardian". Man sollte das "Gipfel-Debakel" zur Erarbeitung eines EU-Budgets nützen, "von dem alle in Europa profitieren können".
Juncker hofft indes, daheim ein positives Signal für Europa setzen zu können. An der Volksabstimmung über die EU-Verfassung im Großherzogtum hält er trotz sinkender Zustimmung in den Umfragen fest. Mit dem Ergebnis verbindet der Regierungschef sein politisches Schicksal.
Unverdrossen will Zypern das Vertragswerk am 30. Juni im Parlament absegnen. Polens Premier Belka, der zunächst am Referendum im Herbst festhalten wollte, erwägt inzwischen die Ratifizierung im Parlament.