Zum Hauptinhalt springen

Schwieriger Weg zum fairen Steuerrecht

Von Alfred Abel

Wirtschaft

Es sind noch immer 10.000 unerledigte Steuerakten, die auf Klärung, Würdigung und Entscheidung warten. Es sind die Berufungsfälle von ebenso vielen Steuerzahlern, denen - so sehen es Juristen - eigentlich das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter vorenthalten wird. Seit Jahresbeginn haben die heimischen Finanzlandesdirektionen den riesigen Aktenpulk an eine neue Organisation weitergereicht. Die Finanz hat Outsourcing betrieben und dem neuen Unabhängigen Finanzsenat (UFS) ein schweres Erbe hinterlassen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Bearbeitung des Aktenrückstands liegt seit heuer in der Verantwortung von sieben bundesweiten UFS-Zweigstellen, die ihre Dachorganisation in einer präsidialen Zentralstelle in Wien haben. Dort sitzt die junge und dynamische Präsidentin Daniela Moser und versucht, eine bislang heterogene Mannschaft von Steuerexperten auf Linie zu bringen. In einem viel beachteten Vortrag in der Wiener Wirtschaftsuniversität berichtete sie kürzlich über ihre bisherigen "Erfahrungen bei der Schaffung einer neuen Behörde".

Quasi-Finanzgericht

Die neuen UFS-Leute folgen einem Gesetz, das die Bearbeitung von Rechtsmitteln in Steuer- und Beihilfensachen, in Zoll- und Finanzstrafangelegenheiten durch weisungsfreie, unabhängige und objektiv handelnde Sachbearbeiter vor-sieht.

Was früher die Finanzlandesdirektionen in ihren Senats- und Einzelrichterverfahren erledigten, ist seit Jahresbeginn Sache eines Quasi-Finanzgerichts, obgleich dieser Ausdruck nicht ganz passend ist: Es handelt sich um eine Verwaltungsbehörde sui generis.

Die omnipotenten Abteilungen des UFS sind seine Berufungssenate, die unter der Leitung eines Vorsitzenden (mit Dirimierungsrecht) mit einem UFS-Beisitzer und zwei Laienbeisitzern besetzt sind. Wirtschaftstreuhänder sind übrigens als Laienbeisitzer ausgeschlossen; nicht nur, weil sie vielleicht zu sehr fachkundig sind, sondern weil ihre Zwitterstellung als Beisitzer und (in einem anderen Verfahren) als Parteienvertreter problematisch sein kann.

Referent als "Einzelrichter"

Der hochkarätige Berufungssenat agiert freilich nur im Hintergrund. Denn die operative Arbeit der Berufungserledigungen wird grundsätzlich einem "Einzelrichter" übertragen, dem Referenten. Der handelt zwar nach außenhin im Namen des Senats, in Wahrheit aber allein und eigenverantwortlich. Er ist der wahre Sachbearbeiter, der über das Rechtsmittel entscheidet: der Mann (die Frau) im Vordergrund.

Finanzamt zum VwGH

Das Credo des Einzelreferenten ist das Parteiengehör. Er hört die Argumente des Steuerzahlers und holt sich die Vertreter des bekämpften Finanzamts heran. Kontradiktorisch nennt sich dieses Verfahren. Diese direkte Form des audiatur et altera pars ist neu.

Der Gesetzgeber hat die Stellung des Finanzamts in diesem Verfahren den Rechten des Steuerzahlers gleichgestellt. Das zeigt sich etwa darin, dass das Finanzamt nach einer für die Behörde ungünstigen UFS-Entscheidung selbst Beschwerde an die Höchstgerichte erheben kann - ein Weg, der in alten Zeiten nur dem Präsidenten der Finanzlandesdirektion vorbehalten war. (Bislang ist eine derartige "Amtsbeschwerde" freilich nur ein einziges Mal von einem Finanzamt in Erwägung gezogen worden).

Mündliche Verhandlungen

Bemerkenswert sind auch andere Möglichkeiten, die das Berufungsverfahren in Steuersachen aufhellen, objektiver und transparenter werden sollen. Der Steuerzahler kann, wenn er die Bearbeitung seines Rechtsmittels durch einen Einzelreferenten eher ablehnt, die Entscheidung des gesamten Berufungssenats verlangen. Er kann darüber hinaus auch verlangen, persönlich gehört zu werden: Die mündliche Verhandlung ist sowohl vor dem "Einzelrichter" als auch vor dem Gesamtsenat möglich.

Der Steuerzahler kann (ebenso wie das Finanzamt) immer neue und weitere Beweise zu seinen Gunsten vorlegen: es besteht kein Neuerungsverbot. Präsidentin Moser: "Wir sehen das UFS-Verfahren als demokratisch geführten Prozessverlauf an". Dazu dient auch der sogenannte Erörterungstermin, den der UFS ansetzen kann, um die Streitparteien nach der Möglichkeit einer schnellen Entscheidung oder gar auf eine Kompromisslösung hin abzuklopfen.

Entscheidungen des UFS

Die Entscheidung des Einzelrichters oder des Berufungssenats kann - wie weiland bei den Finanzlandesdirektionen - eine stattgebende oder eine abweisende sein. Der bekämpfte Bescheid kann -wenn er Mängel aufweist - an das Finanzamt zu weiteren Ermittlungen zurückgeschickt werden; der UFS kann ihn auch völlig aufheben, also "kassatorisch" entscheiden. Wie schon erwähnt, können Steuerzahler oder Finanzamt gegen eine vermeintlich unpassende UFS-Entscheidung den Weg zu den Höchstgerichten beschreiten.

Organisatorische Probleme

Das Verfahren vor dem neuen UFS ist für Steuerzahler wie für Finanzbehörden noch gewöhnungsbedürftig. Organisatorische Probleme sind noch zu lösen, der Aktenbearbeitungsplan innerhalb des UFS, die Kontrolle hinsichtlich Aktenlauf, Bearbeitungszeit und Entscheidungstempo ist noch unbefriedigend. Eine Evidenzkartei, die eine "Gleichschaltung" der Rechtsauffassungen der verschiedenen UFS-Außenstellen sicherstellen soll, ist im Aufbau. Der ideale Personalstand bei den Referenten ist noch nicht erreicht, einige Neuzugänge haben sich angesichts des sie erwartenden Arbeitsvolumens gleich wieder verab-schiedet. Präsidentin Moser ist unverzagt.

10.000 Akte als Bodensatz?

Vorallem tritt sie den immer wieder geäußerten Zweifel an der unfiskalischen Entscheidungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter entgegen. Tatsächlich wurde ja ein Großteil der Referenten aus dem Personalstand der Finanzverwaltung übernommen. Die Präsidentin garantiert für "Rückgrat und persönliche Integrität" ihrer Richter. Und für absolute Weisungsfreiheit in der Entscheidungspraxis. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich und dem UFS für den Start ein bisschen Rückenstütze gegeben. Bis Ende Juni hat er mögliche Säumnisbeschwerden der Steuerzahler gegen unerledigte Alt-Rückstände abgeblockt. Darf der Steuerzahler danach auf eine raschere Erledigung seiner Rechtsmittel hoffen? Daniela Moser hält sich bedeckt. Der Aktenstand von etwa 10.000 Fällen wird vorläufig wohl als Dauerzustand angesehen werden müssen.

Dkfm. Alfred Abel verabschiedet sich mit diesem Beitrag in die Sommerpause. Seine Steuertipps werden ab September wieder an gewohnter Stelle zu finden sein.