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Nach wochenlangen Diskussionen liegt der Regierungsentwurf für die Pensionsreform vor. Für stundenlange Debatten sorgte er gestern im Nationalrat. So gestaltete sich schon die Aktuelle Stunde gleichsam als Aufwärmrunde: Während die Opposition der Regierung "soziale Ungerechtigkeit" und "Gefährdung der Jugend" vorwarf, strichen ÖVP und FPÖ die Bedeutung ihres Entwurfes hervor. Vizekanzler und Sozialminister Herbert Haupt forderte die Sozialpartner zum Dialog auf.
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Für die SPÖ ist es "Reformschwindel" statt "gerechte Pensionsreform". Nach diesem Motto gestaltete sie auch die gestrige Aktuelle Stunde. Neu waren die Positionen nicht: Während die Opposition ihre Kritik an den Pensionsreformplänen der Regierung wiederholte, erinnerten ÖVP und FPÖ an die Notwendigkeit der Systemerneuerung. So warf SPÖ-Sozialsprecherin Heidrun Silhavy der Koalition vor, "sozial ungerecht" zu handeln und die Jugend zu gefährden. Und laut Bundesgeschäftsführerin Doris Bures werde auch der soziale Frieden und Zusammenhalt in Österreich aufs Spiel gesetzt.
Vizekanzler Herbert Haupt konterte mit Vorwürfen an die Gewerkschaft. Diese habe lange Jahre verschlafen. Daher fordere er den ÖGB auf, konkrete Abänderungsvorschläge zu machen. "Nicht wir haben den Verhandlungstisch verlassen", meinte Haupt - und präsentierte die FPÖ als die "besseren Arbeitnehmervertreter".
Die Grüne Abgeordnete Brigid Weinzinger kritisierte vor allem "massive Verschlechterungen für Frauen". Ihre Klubkollegin Eva Glawischnig wiederum lenkte das Augenmerk auf Jugendliche: Vor allem junge Menschen, die studieren und sich weiterbilden, seien von der Pensionsreform betroffen.
Bundeskanzler Wolfgang Schüssel setzte erst nach der Aktuellen Stunde zu seiner Rede an - und ging darin auch auf die vorangegangenen Streiks ein. "Die Menschen haben aus berechtigter Sorge Aktionen gesetzt", räumte er ein. Die Regierung wiederum habe aus ehrlicher Verantwortung die Reform vorgelegt. "Wir haben keinen Justamentstandpunkt eingenommen", stellte Schüssel fest. Was bei der SPÖ wiederum für Erheiterung sorgte. Dessen Vorsitzender, Alfred Gusenbauer rückte in Folge einmal mehr das Pensionsreform-Modell der SPÖ in den Blickpunkt und verlangte einen Solidarbeitrag für höhere Pensionen von zehn Prozent.
Die von Schüssel präsentierten Eckpunkte der Pensionsreform waren großteils schon bekannt: "kein Eingriff in bestehende Pensionen", geplante Festlegung des Pensionsantrittsalters mit 65 Jahren in dreißig Jahren, "Auslaufen" der Frühpensionen erst 2017 (s. auch Kasten unten). Nach 45 Versicherungs- und Beitragsjahren müssten 80 Prozent des Lebenseinkommensdurchschnitts gesichert sein, erklärte der Bundeskanzler.
Für PolitikerInnen müssten die Regelungen ebenso gelten, stellte Schüssel klar. Doppelanrechnungen seien nicht mehr vorgesehen, und wie im ASVG-Bereich werde es Abschläge geben. Dennoch standen Politikerpensionen im Mittelpunkt einer Dringlichen Anfrage der Grünen an den Bundeskanzler. Schon zuvor hatte Sozialsprecher Karl Öllinger den nun vorliegenden Entwurf zu Politikerpensionen als unzureichend kritisiert. Schüssel bezeichnete ihn als "vernünftigen, notwendigen Schritt". Die Anfrage-Beantwortung fiel dann äußerst knapp aus.
Auch außerhalb des Parlaments blieb die Pensionsreform Gesprächsthema. So mahnte Bundespräsident Thomas Klestil Regierung, politische Parteien und Sozialpartner zu Konsensbereitschaft. Vorarlbergs Landeshauptmann Herbert Sausgruber plädierte für Gespräche im Nationalrat "unter vernünftigen Leuten" über Abfederung und Fairness der Reform.
Unklar bleibt zunächst das weitere Vorgehen der Gewerkschaften - wenn auch der Vorsitzende der Privatangestellten, Hans Sallmutter ankündigte, die Reform weiter zu bekämpfen. Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl hingegen zeigte sich zufrieden: Die Reform leiste einen "wesentlichen Beitrag" zur Absicherung des Pensionssystems.