Eine Umfrage zeigt Unterschiede von Schwulen und Bisexuellen im Vergleich zu Hetero-Männern.
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Wien. "Es gibt kein schwules Einwohnermeldeamt", sagt Christian Führer, Leiter des Meinungsforschungsinstitut IFQM. Wahlbehörden kennen zwar Alter, Geschlecht und den Wohnort der Wahlberechtigten; die sexuelle Orientierung aber bleibt im Ungewissen. Das wollte Günther Moser, Präsident von Network-Gate und Mehrheitseigentümer der Joy Network, vormals Pink Marketing GmbH, die sich wirtschaftlich um die Zielgruppe Schwuler und bisexueller Männer bemüht, ändern.
Er beauftragte die IFGM mit einer Studie, um diese "jetzt im Wahlkampf auch für Parteien erreichbarer zu machen". Schließlich dürften von den 6,4 Millionen Wahlberechtigten zwischen 320.000 bis 640.000 Wählerinnen und Wähler lesbisch oder schwul sein.
Grüne und SPÖ deutlich vor der ÖVP
IFQM hat nun jedenfalls 120.000 schwule und bisexuelle Männer, die auf den mit journalistischen Inhalten umrandeten Dating- und Eventplattformen gayboy, -net, -guide- und rainbow aktiv sind, per Mail befragt. 24 Prozent gaben die Grünen an, gefolgt von der SPÖ mit 22 und der FPÖ mit 21 Prozent. Die ÖVP kam auf 19, Neos auf 10 und Jetzt auf zwei Prozent.
Das unterscheidet sich deutlich von den Männern generell: Die für Profil vom Peter Hajek Public Opinion Strategies-Institut erstellte und für die "Wiener Zeitung" eigens danach ausgewertete Sonntagsfrage zeigt, dass die ÖVP mit 34 Prozent deutlich voran liegt. Die SPÖ nannten 20, die FPÖ 22, Neos 10, Jetzt ein Prozent - die Grünen aber deutlich abweichend nur elf Prozent der Männer.
Grünen-Kandidatin Ewa Ernst-Dziedzic führt das auf das bisherige Engagement für die LGBTI-Community, also Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle, zurück. Außerdem: "Bei uns sind sehr, sehr viele Kandidatinnen und Kandidaten an wählbarer Stelle auf den Listen." Sie selbst kandidiert an zweiter Stelle auf der Wiener Landesliste. Wenn die Grünen vier Prozent erreichen, sei die Bundesrätin im Nationalrat.
Nico Marchetti, ÖVP-Nationalratsabgeordneter, der sich der Wiederwahl stellt, ist sich dagegen des Mankos seiner Partei in der Community bewusst. "Ich bin der Letzte, der die Partei nicht kritisiert". Er sei auch nicht zur "Reinwaschung der ÖVP" da, die Wahlmotive von Schwulen seien auch nicht monothematisch, "Schwule sind genauso Arbeitnehmer und Unternehmer".
Ähnliche, aber doch andere Wahlmotive von Lesben
Neben den genannten Motiven gibt es weitere: Bei der ÖVP ist deren Spitzenkandidat Sebastian Kurz sowohl das stärkste Motiv für eine türkise Wahlabsicht als auch dafür, der ÖVP keinesfalls seine Stimme zu geben. Eine Pro-FPÖ-Stimme wird am häufigsten mit deren Ausländerpolitik begründet. Für Gegenstimmen sei "Homophobes" der Grund, sagt Führer von IFQM.
Lesbische oder bisexuelle Frauen spielten bei dieser Umfrage keine Rolle, "mangels Erreichbarkeit", sagt er auch. Die Portale richten sich eben an Männer.
Michael Hunklinger, Politikwissenschafter der Donau-Uni-Krems, hat in einer deutsch-österreichischen Kombi-Arbeit mit der Gießener Politikwissenschaftlerin Dorothée de Nève bereits das Wahlverhalten lesbischer Frauen und schwuler Männer bei der Nationalratswahl 2017 untersucht. In dieser Umfrage lagen SPÖ und Grüne mit jeweils 31 Prozent noch deutlicher vor ÖVP und FPÖ mit fünf und vier Prozent.
Lesben votierten mit 37 Prozent deutlich häufiger für die Grünen als Schwule mit 26 Prozent. Die SPÖ aber, die 2017 mehr Frauen als Männer wählten, erzielte bei lesbischen Frauen 3,5 Prozentpunkte weniger Zustimmung als bei schwulen Männern. Grund dafür: "Die Grünen sind in diesem Bereich thematisch schon länger breiter aufgestellt als die SPÖ, die bis vor Kurzem zum Beispiel noch gegen die Ehe für alle gestimmt hat", sagt Hunklinger.
Wie erklären sich die Werte für ÖVP und FPÖ? Die ÖVP habe 2017 kein Angebot gehabt, habe Themen zudem "tot geschwiegen, was typisch für Konservative ist", sagt Hunklinger. Heuer signalisiere Sebastian Kurz außerdem mit Auftritten wie jenem vor Christen in der Stadthalle anstatt der Europride am selben Wochenende "indirekt die Ablehnung von Schwulen- und Lesbenrechten". Ein Wahlmotiv für die FPÖ sei, " dass die Partei suggeriert, gute Schwule gegen böse Ausländer muslimischen Glaubens zu schützen, also LGBTI-Themen instrumentalisiert."