Sozialisten geben Widerstand auf. | Abstimmung am 16. September. | Brüssel. Lange genug musste José Manuel Barroso um seine Bestätigung für weitere fünf Jahre an der Spitze der EU-Kommission zittern, seit ihn eine breite Allianz aus Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken im Juli blockiert hatte. Nach mühsamen Canossagängen in die Fraktionen des EU-Parlaments zeichnete sich gestern, Mittwoch, eine erste Entspannung für den Kommissionspräsidenten ab.
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Entscheidend dürfte sein, dass die Sozialdemokraten (S&D) ihren Widerstand gegen den Portugiesen offenbar aufgegeben haben. Alles deute auf eine Enthaltung der Stimmen seiner Fraktion hin, erklärte S&D-Vizepräsident Hannes Swoboda. Da Barroso nach geltendem EU-Recht bloß die Mehrheit der abgegebenen Stimmen braucht, kommt ihm diese neue Einstellung der Sozialdemokraten gerade recht. Bereits davor haben auch die Liberalen über mehrere Medien ausrichten lassen, dass sie für eine baldige Abstimmung über den Portugiesen sind und ihn wohl mehrheitlich unterstützen. Ohnehin hinter ihm stehen mit der größten Parlamentsfraktion die Europäische Volkspartei sowie die neue Gruppierung der Konservativen und Reformer.
Der SPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, Jörg Leichtfried, erklärte, dass Barroso den Sozialdemokraten entgegengekommen sei, aber nicht genug für eine Zustimmung. So habe er eine Reihe von Gesetzesvorschlägen angekündigt, welche die soziale Absicherung der Arbeitnehmer im Fokus haben sollen. Darüber hinaus werde es künftig für jedes EU-Gesetz vorab eine Folgenabschätzung für die soziale Situation der Menschen in der EU geben. Dass die Sozialdemokraten eingeknickt seien, wollte Swoboda angesichts dieser "konkreten Ergebnisse" nicht so sehen. Er bedauerte aber, dass über den Sommer kein realistischer Gegenkandidat auf der Bildfläche erschienen ist.
Formal wird die Entscheidung über die Ansetzung der Abstimmung über den Kommissionspräsidenten am 16. September erst heute, Donnerstag, in der Sitzung des Parlamentspräsidenten und der Fraktionsführer getroffen. Bis dahin gebe es nicht mehr wirklich Druckmittel, bedauerte Swoboda. Das entscheidende Votum werde daher jenes über die gesamte neue EU-Kommission im November oder Dezember werden. Dann könne anhand der neuen Kommissionsmitglieder besser bewertet werden, ob Barrosos Versprechen auch entsprechend personell unterfüttert würden. Entscheidend sei eine "starke sozialdemokratische Handschrift" Besetzung des Binnenmarkts- und des Wettbewerbsressorts.
Kritik hatte Swoboda auch für die sozialdemokratisch geführten Regierungen in der EU übrig: Sie hätten die Nominierung eines profilierten Kandidaten aus den Reihen der S&D "verbockt". Inhaltlich habe er noch Hoffnung, dass sich der österreichische Kandidat "Herr M." zu den sozialen Zielsetzung bekennen werde, die Barroso in Aussicht gestellt hat. Als Favorit gilt in Wien immer noch der frühere ÖVP-Vizekanzler Wilhelm Molterer für den Kommissarsjob.