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Sebastian Kurz - ein Straftäter?

Von Bernhard Görg

Gastkommentare
Bernhard Görg war von 1996 bis 2001 Vizebürgermeister und von 1992 bis 2002 Landesparteiobmann der ÖVP in Wien.
© Lukas Beck

Der Kanzler hätte im U-Ausschuss dem Mummenschanz von vornehmer politischer Zurückhaltung endlich den Garaus machen müssen.


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Viele Österreicher haben ein eigenartiges Verhältnis zum Staat als Eigentümer. Sie verlangen, dass die Politiker in ihrer Rolle als Vertreter des Eigentümers sich darauf konzentrieren sollen, für die Erhaltung der Arbeitsplätze zu sorgen, alle anderen Eigentümeraufgaben, insbesondere die der Bestellung der Organe, aber gefälligst an vom Himmel auf die Erde gefallene Gremien abtreten sollen. Daher gehört es auch zur quasi genetischen Grundausstattung von Politikern, diesem sehr reduzierten Verständnis der Eigentümerfunktion Rechnung zu tragen und ihre Rolle bei der Bestellung dieser Organe entweder kleinzureden oder überhaupt zu verschleiern.

Das werden wir demnächst bei der Bestellung des Generaldirektors des ORF wieder erleben können. Alle Eingeweihten wissen um diese "fromme Lüge", aber niemanden stört sie wirklich. Nun hat der Bundeskanzler als Zeuge vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss fast reflexhaft seiner eigenen genetischen Kodierung freien Lauf gelassen und seine Rolle bei der seinerzeitigen Bestellung von Thomas Schmid zum Öbag-Chef als sehr beschränkt dargestellt.

Ich selbst habe vor mehr als 20 Jahren als Wiener ÖVP-Obmann gegen den Widerstand meines großen Koalitionspartners und auch meiner eigenen Partei die Einrichtung von Untersuchungskommissionen als Minderheitenrecht durchgesetzt. Weil ich es für demokratiepolitisch geboten erachtet habe, der Opposition mehr Rechte einzuräumen. Für mich ist daher ein Untersuchungsausschuss keine Löwinger-Bühne. Aber er ist auch kein der Suche nach der Wahrheit verpflichtetes unabhängiges Gericht, sondern ein zutiefst politischer Kampfplatz mit seinen eigenen Gesetzen.

Dennoch hätte ich mir gewünscht, dass Sebastian Kurz im U-Ausschuss mehr gesagt hätte, als dass er Schmid für einen geeigneten Kandidaten hält. Nicht so sehr, um bei der Frage der Wahrheitspflicht auf der sicheren Seite zu sein. Sondern weil er sein einmaliges Standing in der Öffentlichkeit dazu hätte nutzen müssen, um endlich diesem Mummenschanz von vornehmer politischer Zurückhaltung den Garaus zu machen. Ein Bundeskanzler, der sich bei der Besetzung des obersten Organs, das die Beteiligungen des Staates verwaltet, nicht substanziell einbringt, macht seinen Job nicht. Nicht fromme Zurückhaltung ist heilige Pflicht, sondern die Übernahme der Verantwortung für die Suche nach dem bestmöglichen Kandidaten, den dann der Aufsichtsrat nach Rücksprache mit ihm als oberstem Eigentümervertreter zu bestellen hat.

Dass er mit seiner Aussage im U-Ausschuss Rücksicht auf diesen unseligen Bestandteil der politischen Kultur in unserem Land genommen hat, bedaure ich. Aber er hat damit weder jemandem geschadet noch genützt. Auch nicht sich selbst, weil der Name Thomas Schmid zum Zeitpunkt der Zeugenaussage noch nicht den Hautgout hatte, den er später bekommen hat. Aber daraus ein Delikt konstruieren zu wollen, das mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bedroht ist, halte ich für grotesk.