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Sechs Freunde sollt ihr sein

Von Roland Knauer

Wissen
Blitzschnell entscheidet das Programm, wie der Roboter den Golfball spielen soll.
© Robotics Erlangen e. V.

Beim RoboCup in China geht es um mehr als um Roboter-Fußball.


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Berlin. Gegen einen strammen Schuss halbhoch neben den Pfosten hätte der Torwart keine Chance. Die Regeln verbieten dies mit gutem Grund. Schließlich hat der Torwart keine Arme und Hände zum Wegfausten. Überdies gehört er auch nicht zu den langen Kerlen, die heute im Profi-Fußball zwischen den Pfosten stehen. Nein, der Torwart ist gerade einmal 15 Zentimeter hoch und hat damit die gleichen Maße wie die anderen Feldspieler. Mit einem Durchmesser von 18 Zentimetern wirkt er obendrein recht stämmig, ist aber trotzdem etwas kleiner als der Ball, den Bundesliga-Torhüter elegant aus dem Winkel fischen.

Auch geht es vom 17. bis 23. Juli bei den Spielen in Hefei in China nicht nur um Fußball, sondern um Wissenschaft: Die Spieler des dort ausgetragenen RoboCup sind Roboter, die Denkanstöße auf dem Weg zur künstlichen Intelligenz liefern könnten.

Zweibeinig oder auf Rädern

Genau, wie die Menschen sechs unterschiedliche Fußballweltmeisterschaften für Frauen und Männer in je drei Altersklassen kennen, treten auch die Roboter in verschiedenen Kategorien mit großen und kleinen Spielern, mit vier- und zweibeinigen Robotern oder auch als Simulation an. Besonders dynamisch wirkt die Small Size Liga der kleinsten Roboter. Dort spielen bis zu 24 Mannschaften in Gruppen gegeneinander. Das sind Forschungsteams aus unterschiedlichen Instituten und Unis. Und anders als bei den "echten" Fußballern dominieren keineswegs Europäer und Südamerikaner, sondern gehören auch Mannschaften aus dem Iran zum Favoritenkreis. Es gibt aber durchaus auch Gemeinsamkeiten: Ähnlich wie bei der Fußball-Nationalmannschaft ist auch in den Roboterteams der Betreuerstab größer als die aktiven Spieler: "Auf dem Feld stehen sechs Roboter, die von zwölf Studenten aus den Bereichen Informatik, Elektrotechnik, Mechatronik und Maschinenbau betreut werden", schildert Adrian Hauck von der Uni Erlangen die Verhältnisse beim Team "ER-Force".

Die Studenten trainieren nicht nur ihre Spieler, sondern konstruieren sie auch. Diese sind aber nicht auf zwei Beinen unterwegs, sondern rollen auf vier "Allrichtungsrädern". "Rund um einen kleinen Stahlring sind rechtwinklig zur Laufrichtung 15 kleine Rädchen montiert", erklärt Markus Lieret vom Team ER-Force. Damit kann das Rad nicht nur vorwärts und rückwärts, sondern mit den kleinen "Subwheels" auch seitwärts rollen. Jedes Allrichtungsrad hat einen 30-Watt-Elektromotor, mit deren Hilfe die Roboter übers Feld flitzen.

Der wendigste Sprinter aber bringt seiner Mannschaft wenig, wenn er nicht auch flanken und schießen kann. Statt eines Fußballerbeines bauen die Studenten den Robotern einen Schussapparat ein.

Dieser besteht aus einem Kondensator mit einer elektrischen Ladung und einer Spule, in der ein Stäbchen steckt. Dessen vorderer Teil ist aus nicht-magnetischem Aluminium und befindet sich innerhalb der Spule, während nur ein kleines Stück des hinteren, magnetischen Eisenteils in die Spule hineinragt. Schickt der Kondensator einen elektrischen Strom in die Spule, entsteht ein Magnetfeld. Das zieht das eiserne Ende rasch in die Spule hinein, während das Aluminium-Ende auf der anderen Seite herausschießt. Eine dort angebrachte Querstrebe trifft einen orangen Golfball, der 44,5 Gramm wiegt. Dies ermöglicht es den Robotern, den Ball scharf mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 29 Kilometern pro Stunde in der Stunde zu schießen.

Ein schneller Sprint und ein strammer Schuss bringen wenig, wenn man eine Flanke nicht annehmen kann. Bei den Robotern ist dafür ein "Dribbler" zuständig: Eine breite Gummiwalze, die von einem fünften Elektromotor angetrieben wird, nimmt Tempo aus dem Ball und gibt ihm einen Rückwärtsdrall, um ihn zum Roboter zurückrollen zu lassen.

Die Kraft für zwei Halbzeiten zu je zehn Minuten holt sich die Maschine aus einem Lithium-Polymer-Akku, der auch das Funkmodul versorgt, das Kontakt zu den Studenten hält.

Dieser Team-Laptop hat den vollen Überblick über das Geschehen auf dem Spielfeld: Vier Meter darüber sind zwei Kameras angebracht, deren Bilder ein neutraler Zentralrechner auswertet. Dieser wiederum liefert seine Informationen an die jeweiligen Rechner der beiden gegnerischen Teams weiter: Wo ist der Ball? Wo stehen die eigenen und wo sind die gegnerischen Roboter? Im Team-Computer checkt ein Programm diese Daten und berechnet, wohin sich der Ball gerade bewegt und mit welchen Spielzügen die eigene Mannschaft reagieren sollte.

Und vor allem: Wie kommt ein Roboter an den Ball, ohne einen Gegner zu rammen? "Unser Programm sucht sich zufällige Punkte aus und schaut, ob darüber ein freier Weg führt", schildert Hauck die Software-Lösung. Ist das nicht der Fall, werden schnell neue Punkte untersucht. Was aber, wenn der Gegner freie Räume zustellt? "Wir haben unser Programm für die Spielzüge so geändert, dass die Roboter beim Kampf um den Ball schon einmal ein Tackling riskieren", so Hauck über die jüngste Errungenschaft.

Künstliche Intelligenz im Spiel

Jedoch gibt es noch einen gravierenden Unterschied zum Spiel der Großen: Auch wenn der Trainer das gerne so hätte, wird die Mannschaft nicht zentral gesteuert. Wenn der Mittelfeld-Regisseur im Stadion daher dem quirligen Stürmer einen Pass genau in den Lauf spielen will, muss er ahnen, wohin der Mitspieler sprinten könnte. Das ist bei den eigenwilligen Laufwegen schwierig genug.

Nicht viel anders sieht es beim RoboCup aus, wenn zwei Mixed Teams gegeneinander antreten. Jede Mannschaft geht dabei mit einem gemischten Team aus zwei Mannschaften aufs Feld. Jede der vier Mannschaftshälften wird dabei von je einem eigenen Rechner gesteuert, der nicht wissen kann, was die andere Hälfte im nächsten Moment tun wird. Um das Spiel zu gewinnen, muss das Programm mit Robotern zusammenspielen, die sich ganz eigene Gedanken machen. "Genau das hilft auf dem Weg zu einer künstlichen Intelligenz", nennt Hauck einen Hintergrund dieser Mixed Teams.

Diese künstliche Intelligenz ist eine wichtige Voraussetzung für das große Ziel des RoboCups: 2050 sollen die Roboter den dann amtierenden Fußball-Weltmeister bei den Menschen schlagen.