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Seehofer, Merkel und die bösen Schuldenmacher

Von Georg Friesenbichler

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Ein europäischer Finanzausgleich wäre eine interessante Möglichkeit, die Vorteile, die Deutschland aus der Krise gezogen hat, zu kompensieren.


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Horst Seehofer möchte für Deutschland gerne dasselbe sein wie Angela Merkel für ganz Europa: die Pfeife, nach der alle tanzen. Wie Merkel geißelt der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident die Schuldenmacher sowie ihren mangelnden Reformwillen - und er droht mit Konsequenzen. Anders als die Kanzlerin meint er allerdings nicht die südeuropäischen Länder, sondern die im Norden des eigenen Landes. Es geht um den Länderfinanzausgleich; gegen die Tatsache, dass vier Nettozahler die restlichen zwölf Bundesländer unterstützen, will er sogar vor das Verfassungsgericht ziehen.

Bis in die 90er Jahre war freilich Bayern selbst ein Nehmerland. Als Geberland unternimmt es aber immer wieder Versuche, die Spielregeln zu ändern, und jetzt ist der Zeitpunkt besonders günstig: Nicht nur stehen 2013 der CSU harte Landtagswahlen bevor, ganz Deutschland hat die Stimmung erfasst, den eigenen Besitzstand vor den armen Ländern beschützen zu müssen. Warum sollte sich diese Angstpsychose, bei der nicht nur die Politik und der Boulevard, sondern auch die seriösen Medien mitmachen, nur gegen die mediterranen Länder richten?

Dabei ist Deutschland der EU-Staat, der von der Krise bisher am stärksten profitiert hat. Weil die verunsicherten Anleger in deutsche Bundesanleihen flüchten, bekommt der Staat (ähnlich wie Österreich) so günstig zu Geld wie nie zuvor. Wenn die Bürgschaften für Schulden des Südens nicht doch noch schlagend werden, kann Berlin 2013 deshalb mit einem ausgeglichenen Haushalt rechnen. Reiche Südeuropäer leiten ihre Vermögen an der heimischen Steuer vorbei auf deutsche, schweizerische oder britische Banken oder investieren es in dortselbst gelegene Immobilien. Zudem wachsen, begünstigt durch den niedrigen Euro-Kurs, deutsche Exporte in Länder außerhalb Europas, auch wenn Ausfuhren in die EU-Länder noch immer knapp 60 Prozent der deutschen Exporte ausmachen.

Die deutsche Exportfixiertheit wurde wiederholt von Dritten kritisiert, weil sie zu der Euro-Krise das Ihre beigetragen hat. Ein guter Teil der Schulden vieler europäischer Staaten wurde nämlich aufgenommen, um deutsche Güter zu importieren - die wegen Einschnitten in das deutsche Sozialsystem und Unternehmensförderungen zu besonders günstigen Lohnstückkosten zu produzieren waren. Die vielgefürchtete "Transferunion" gibt es also schon lange - zugunsten des deutschen Außenhandels.

Eine solche "Transferunion" in Form eines unterschiedlich ausgeprägten Finanzausgleichs ist in vielen demokratischen Ländern - neben Deutschland etwa in der Schweiz, in Österreich und Kanada - ohnehin üblich. Damit soll unter anderem der innenstaatliche Zusammenhalt gestärkt werden. In Zeiten, in denen Merkels Soloflöte im Widerstreit liegt mit dem Großteil des europäischen Orchesters, wäre ein solches Instrument auch in der EU nützlich. Über einen solchen Mechanismus, der über die bisherige Regionalförderung hinausgeht, diskutiert man ja schon seit Jahrzehnten. Aber die tägliche schlechte Nachricht lässt nicht einmal dafür Raum.