Zum Vorteil der rechtspopulistischen AfD billigen nur noch 34 Prozent der Bayern die harte Asylpolitik der CSU.
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Die Asylkrise in Deutschland ist ein Musterbeispiel dafür, wie Politiker ein Thema publikumswirksam am Kochen halten und verzerren können. Kanzlerin Angela Merkel will den "Asyltourismus" durch Abkommen mit anderen EU-Staaten unterbinden: Flüchtlinge dorthin abschieben, wo sie den Asylantrag gestellt haben. Innenminister Horst Seehofer will solche Flüchtlinge an der Grenze abfangen und sofort zurückschicken.
Darum drehte sich ein Verhandlungsmarathon hinter verschlossenen Türen. Die Verhandler hielten das Interesse der Öffentlichkeit mit gezielten Informationen über den Stand der Dinge hoch. Schließlich zückte Seehofer seinen Vorschlaghammer: Er bot seinen Rücktritt als Innenminister und CSU-Chef an und setzte Merkel eine Frist bis Ende Juli, um eine europäische Lösung dieses Streitthemas zu finden. Das Sachproblem brachte die deutsche Polizei in die Debatte: Monatlich kämen "nur ein paar hundert Flüchtlinge" an.
Damit rückt der polit-psychologische Auslöser der Asyldebatte ins Bild. Die Bayern wählen im Oktober einen neuen Landtag. Und da drohen der CSU Verluste an die rechtspopulistische AfD, die gegen Flüchtlinge und die EU agitiert. Bei den vergangenen Bundestagswahlen erntete sie in Bayern auf Anhieb 12,4 Prozent der Stimmen, wogegen die CSU von 46,3 auf 38,8 Prozent zurückfiel. Umfragen stellen bei der Landtagswahl der AfD 13,5 Prozent und der CSU nur knapp 40 Prozent in Aussicht. Als die CSU von 1962 bis 2008 noch mit absoluter Mehrheit regierte, gab Bayerns Übervaters Franz-Josef Strauß (1915 bis 1988) die Strategie vor: "Rechts von der CSU darf es in Bayern keine Partei geben."
Die EU will Flüchtlinge im Mittelmeer abfangen und in Auffanglagern in Nordafrika ihren Asylanspruch prüfen. Doch Ägypten, Tunesien, Algerien und Marokko lehnen das nachdrücklich ab. Und Libyen leidet unter einem Bürgerkrieg zwischen Regierung und Gegenregierung. In bestehenden Flüchtlingslagern werden Tausende wie im Gulag gehalten. Also wirbt die EU um Solidarität und hat jene Quoten gestrichen, nach denen Flüchtlinge verteilt werden sollten. Jetzt nehmen die EU-Staaten nur noch "freiwillig" Flüchtlinge auf.
Nach zwei Wochen erbitterter Auseinandersetzung haben sich nun CDU/CSU und die Regierung Merkel vor dem drohenden Zusammenbruch gerettet: mit "Transitzentren" in Deutschland, aus denen Asylbewerber in jene EU-Länder abgeschoben werden sollen, in denen sie registriert wurden, und Zurückweisung nicht registrierter Flüchtlinge an der Grenze. Das wäre billiger feil gewesen, hätte Seehofer nicht das ganze Thema zur Kraftprobe mit Merkel aufgeblasen.
Wie zerrüttet das Verhältnis zwischen den "Schwesterparteien" CDU und CSU ist, belegt Seehofers Auftreten als Macho: "Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin absetzen, die nur wegen mir Kanzlerin ist." Das Volk hält von so derben Sprüchen wenig: Laut einer am Montag veröffentlichen Umfrage finden 67 Prozent der Deutschen Seehofers Verhalten verantwortungslos, und nur noch 34 Prozent der Bayern billigen den Kurs der CSU. Die AfD rüstet sich also hoffnungsfroh für die Landtagswahl im Oktober.