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Seelentrip einer Onkologin

Von P. R. Lang

Wissen

Die Onkologin Jutta Hellan hat ihren Dienst an krebskranken Patienten unter das Motto gestellt: "Wer den Menschen die Hoffnung nimmt, gibt ihnen den Tod".


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In Österreich erkranken jährlich bis zu 3.000 Personen an Krebs. Mehrheitlich handelt es sich um Patientinnen mit einem hohen Anteil an Brustkrebserkrankten. Es folgen Hautkrebs und Tumore im Darmbereich. Die überwiegende Zahl der männlichen Patienten erkrankt an Prostatakrebs, gefolgt von Erkrankungen der Bronchien und der Luftröhre.

Zwanzig Jahre war Jutta Hellan am Boltzmanninstitut in Lainz als Onkologin tätig. Im Jahre 1993 übernahm sie in der Galen-Tagesklinik die onkologische Ambulanz. Nunmehr ist die rührige Oberärztin einschlägig im AKH im Einsatz. "Patienten suchen im Arzt einen Verbündeten, einen vertrauensvollen Begleiter durch die Fährnisse der Krankheit," ist Hellan überzeugt.

In der täglichen Praxis sieht das so aus: Nach der Diagnose wird die klinische Therapie verordnet. Das ist die Ausgangslage. Dem unerlässlichen Behandlungsprogramm steht gleichrangig die psychische Betreuung zur Seite. Hellan lässt in ihrer Seelentherapie keinen Zeitdruck aufkommen. "Da blicke ich nicht auf die Uhr", so die Oberärztin. "Mit manchen Patienten beschäftige ich mich oft über eine Stunde".

Beim Mitleiden kommt bei der sensiblen Ärztin selbst auch Frust auf. Das ist insbesondere bei Frauen mit Brustkrebs bei notwendiger Amputation der Fall. Zur Operations- und Behandlungsqual kommt bei den Patientinnen die Sorge um den partnerschaftlichen Fortbestand hinzu. "Was wird aus mir, wenn die Ehe auseinander geht?" ist eine immer wieder geäußerte bange Frage. Unverheiratete Frauen wieder haken ein Leben in Zweisamkeit kurzerhand ab. Sie betrachten sich als verstümmelt und ohne Heiratschancen.

Hellan: "Gegen eine derart depressive Einstellung kämpfe ich mit allen Mitteln an. Ist eine meiner brustamputierten Patientinnen verheiratet oder fest gebunden, lege ich größten Wert darauf, das Paar gemeinsam in mein Dienstzimmer zu bekommen". Für die Ärztin wird das Gespräch unter sechs Augen zur zwischenmenschlichen Bewährungsprobe. Doch trotz intensiver Aufklärung und profundem Erfahrungswissen bleibt der gesunde Gesprächspartner oft ein Gegenspieler, der mit seinen Argumenten den Informationserfolg in Frage stellt. Bleibt aber immer noch die Betroffene. Die Onkologin: "Spürt die Erkrankte mein Verständnis und meine Anteilnahme, entsteht eine Partnerschaft mit gleichartiger Zielsetzung".

Deshalb ist für die Ärztin zunächst einmal wichtig, den entscheidenden Zugang zu ihren Patienten zu finden. Das gelingt dann, wenn der Krebskranke den Eindruck bekommt, auf ehrliche Teilnahme zu stoßen und medizinisches Interesse zu wecken.

Der Patient, der das Krankenhaus in der Annahme verlässt, im Klinikcomputer zu landen und ein Teil einer Massenabfertigung zu werden, muss zwangsläufig seine Heilungschancen minimieren und an Hoffnung verlieren. "Gerade in diesem Bereich", erklärt die Oberärztin, "muss der Arzt die Anlaufstation sein. Er tut sich dann wesentlich leichter, die Nebenwirkungen der Behandlung zu schildern und Hinweise auf verschiedene Lebensveränderungen zu geben".

Darin sieht die Krebsärztin die Sinnhaftigkeit des Arztberufes. Ihr totaler Einsatz um onkologische Fälle geht wohl auch darauf zurück, dass sie während des Medizinstudiums selbst von einem Tumor befallen wurde. Hoch motiviert, eilt sie unermüdlich von Termin zu Termin, um ihr reiches Erfahrungswissen in Referaten über Krebshilfe und Fortbildungskursen für Ärzte einzubringen.