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Segen oder Fluch: Irlands 400-Milliarden-Euro-Vorstoß

Von Thomas Pfaffe

Wirtschaft

Großbritannien fürchtet Geldabfluss zu Irlands Banken. | London/Dublin. (dpa) Im Eiltempo hat die irische Regierung die grüne Insel zum sicheren Hafen für Geldanleger aus aller Welt gemacht: Mit einer unbegrenzten Staatsbürgschaft für die Einlagen der sechs größten Banken des Landes will die Regierung für zwei Jahre den Finanzplatz Irland vor den Schockwellen der Wirtschaftskrise schützen. Bis zu 400 Milliarden Euro an Steuergeldern wirft der Staat dafür in die Waagschale. Doch was die irischen Banken und ihre Kunden beruhigen soll, bereitet der Konkurrenz Sorge. Kunden britischer Banken könnten in Scharen ihre Konten leerräumen und Geld nach Irland schaffen.


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Keltischer Tiger in Nöten

"Ohne lebensfähiges Bankensystem wäre unser Handel gelähmt", rechtfertigte der irische Finanzminister Brian Lenihan die Höhe der Bürgschaft, die etwa beim zweieinhalbfachen des Bruttoinlandsproduktes des Landes liegt. Und er gibt sich zuversichtlich, dass im besten Fall kein Cent ausgezahlt werden muss. Denn allein die Aussicht auf die Garantie soll Sparer, Investoren und andere Banken dazu bewegen, den irischen Instituten weiter ihr Geld anzuvertrauen. Schließlich ist es gerade das fehlende Vertrauen, das die Geldmärkte auf der ganzen Welt ins Chaos stürzt.

Und das Vertrauen der Wirtschaft braucht Irland derzeit wie kaum ein anderes Land. Als erstes EU-Mitglied rutschte die Insel dieses Jahr in eine Rezession, die erste seit 25 Jahren. Dabei hatte sich das Land in den vergangenen Jahrzehnten dank EU-Unterstützung vom Armenhaus Europas zu einer florierenden Volkswirtschaft aufgeschwungen. Aber die Finanzkrise, der schwache Immobilienmarkt, sinkender Konsum und mehr Arbeitslose beendeten die Erfolgsgeschichte des "Keltischen Tigers".

Einige Analysten sehen den Vorstoß der irischen Regierung, der von den EU-Wettbewerbshütern noch geprüft wird, schon als Blaupause für andere Länder. Und auch Finanzminister Lenihan beeilte sich, die EU-Kommission aufzurufen, ebenfalls über entsprechende Garantien nachzudenken, um die Bankensysteme aller 27 Mitgliedsstaaten zu schützen. Mit dem Appell sollte wohl Kritikern der Wind aus den Segeln genommen werden.

Brit-Banken im Nachteil

Die Banken anderer Länder, allen voran Großbritannien, sehen sich durch den Alleingang Irlands nämlich benachteiligt. Quasi über Nacht wurden die irischen Geldhäuser viel attraktiver für Sparer und Investoren. Filialen irischer Banken in Großbritannien versprechen auf einmal pure Sicherheit - britische Banken mit Filialen in Irland haben diesen Vorteil nicht.

Somit bringt der Vorstoß Premierminister Gordon Brown in Zugzwang, ein ähnliches Rettungspaket aufzulegen. Noch verlangt kein Bankenmanager eine unbegrenzte Staatsgarantie - nervöse Anleger könnten das als Eingeständnis von Problemen werten und panisch davonlaufen. Aber führende Bankenvertreter warnen die Regierung bereits, dass deren Plan, die Garantien für Spareinlagen von 35.000 Pfund (gut 44.000 Euro) auf 50.000 Pfund zu erhöhen, nicht ausreichend sein könnte.