![Eine Illustration einer Frau mit Kopftuch.](https://media.wienerzeitung.at/f/216981/2500x1875/a87666ab3f/wz_podcast_header_fatima_storer.jpg/m/384x288/filters:quality(50))
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Hätte Barack Obama einen Sohn, dann hätte dieser ausgesehen wie Trayvon Martin, sagte der Präsident der Vereinigten Staaten im März 2012, als der tragische Fall des vom Nachbarschaftswächter George Zimmerman erschossenen 17-jährigen schwarzen Jugendlichen bekannt geworden war. Am Sonntagabend, nach dem Freispruch von Zimmerman durch ein Gericht in Florida, das zu gehöriger Empörung in der Afro-Amerikanischen Community geführt hatte, klang das schon anders: "Wir sind ein Rechtsstaat, die Jury hat entschieden." Obama forderte "jeden einzelnen Amerikaner" dazu auf, den Aufruf der Eltern Trayvon Martins zur Ruhe und Besonnenheit zu befolgen. Niemand, am Allerwenigsten der erste Schwarze Präsident der Vereinigten Staaten, hat ein Interesse an Unruhen, wie sie nach dem gewalttätigen Polizeiübergriff auf Rodney King in Los Angeles 1992 losgebrochen sind.
Doch der Freispruch für Zimmerman zeigt, dass die Vereinigten Staaten von Amerika auch 59 Jahre nach dem Ende der Rassentrennung in Schulen und 49 Jahre nach der Verabschiedung der Bürgerrechtsgesetze noch immer die segregierten Staaten von Amerika sind. Die Segregierten Staaten von Amerika, in denen 60 Prozent der Häftlingspopulation Farbige sind, während diese Gruppe nur 30 Prozent der Bevölkerung ausmacht. Was sind die Gründe für diese Überrepräsentation von Farbigen? Lässt Justitia trotz Augenbinde Farbenpräferenzen erkennen? Oder werden Farbige in den USA in ein Leben, das ihnen Chancen schlicht verwehrt, hineingeboren?
Dass jemand, der einem schwarzen Jugendlichen mit seiner Kel-Tec PF-9 mm in die Brust schießt, mit einem Freispruch davonkommt, muss der Afro-Amerikanischen Community angesichts der Strafen, die Schwarzen für den Besitz auch nur geringer Mengen von Drogen drohen, wie Hohn erscheinen. Nach österreichischem Rechtsverständnis wäre der Fall auch nach der Darstellung des Schützen ein schwerer Fall von Notwehrüberschreitung, vielleicht gar Totschlag gewesen. Als Europäer hat man gelernt, über US-Waffengesetze und US-Notwehr-Interpretationen einfach nur den Kopf zu schütteln. Zu antiamerikanischer Überheblichkeit besteht dennoch kein Anlass: Schließlich haben auch hierzulande erst vor wenigen Tagen ein konservativer Blogger und ein Boulevard-Kolumnist nach dem tödlichen Schuss eines Wiener Juweliers auf einen Räuber gejuchzt, wie sehr sie sich über dessen Tod gefreut haben.