Vossoughis Festivals sind ebenso Wien-typisch wie interkulturell.
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Wien. Seit 30 Jahren prägt die gebürtige Iranerin Nuschin Vossoughi mit ihren Projekten die österreichische Kulturszene. Das A-cappella-Festival "Voicemania", die Konzertreihe "Wien im Rosenstolz" oder - seit fast zehn Jahren - das Theater am Spittelberg tragen ihre Handschrift. Sie ist bekannt für ebenso Wien-typische wie interkulturelle Festivals.
"Wiener Zeitung": Sie kamen achtjährig mit Ihrer Mutter nach Wien. Was waren Ihre ersten Eindrücke?Nuschin Vossoughi: Vom Wetter her war es mir zu kalt. Aber die Leute haben mich sehr positiv aufgenommen. Für viele war ich ein "exotisches Wesen", allerdings im positiven Sinne. Deswegen habe ich dieses Ausländer-Sein im Grunde nie richtig gespürt. Dabei spielte die Sprache und Bildung wohl eine erhebliche Rolle. Damit kannst du dich wehren und mitreden. Gleichzeitig muss man sich auch vor Augen führen, dass in den 60ern und 70ern andere Zeiten waren, wenngleich Wien nicht so vielfältig war wie heute.
Damals haben Sie Freunde als "schwarzer Teufel" bezeichnet.
Ja, wobei das damals ehrlich liebevoll gemeint war und in einem freundschaftlichen Kontext stattgefunden hat. Trotzdem habe ich deswegen damals oft geweint. Wenn ich so etwas heute zu hören bekommen würde, dann würde ich es als besonders ekelhaft empfinden.
Wie sind Sie mit ihrer iranisch-österreichischen Identität umgegangen?
Bei uns zu Hause wurde nur Persisch gesprochen, daher war die Sozialisation anders als in der Schule. Ich war sicherlich auch hin- und hergerissen, weil es in Kulturgemeinschaften ja auch selbstverständliche Abläufe gibt, die sich der jeweiligen Kultur anpassen. Aber mit der Zeit wurde diese Doppelidentität zur Stärke: Die österreichische Korrektheit einerseits und die orientalische Großzügigkeit andererseits können in Verbindung miteinander durchaus von Vorteil sein.
Sie haben einmal erwähnt, sich trotz des Erfolgs "nicht als Teil des Ganzen" zu fühlen. Inwiefern?
Eines vorweg: Heute genieße ich breite Anerkennung und ehrlichen Respekt in der österreichischen Kulturszene. Das war aber nicht immer so: Manchmal hatte ich Momente, die für mich trotz meiner österreichischen Sozialisation schwierig zu verstehen waren. Ein Beispiel: Herr Antel, ein großartiger österreichischer Filmemacher, kam vor zwölf Jahren zu meiner ersten Aufführung von "Wien im Rosenstolz" im ehrwürdigen "Schmid Hansl". Er ist hereingekommen und hat mir seinen Mantel über die Kassa hingeschmissen, als wäre ich ein Garderobier. Ich entgegnete dann liebevoll: "Da gibt es einen Kleiderhaken, hängen sie den bitte dort auf." Zu diesem Zeitpunkt konnte sich niemand vorstellen, dass eine mit persischen Wurzeln das Wienerliedfestival konzipiert und leitet. Da habe ich es wahnsinnig zu spüren bekommen, dass ich nicht zur etablierten Wiener Szene gehöre. Heute ist das freilich ganz anders.
Sie haben seit 1981 zahlreiche künstlerische Projekte umgesetzt. Wie war der Zeitgeist damals, wie erleben Sie ihn heute?
Ein kompletter Unterschied: Die Zeit ist durch die neuen Medien viel schneller geworden. Ich habe mir alles von der Pike auf erarbeitet. Damals gab es keine neuen Medien oder Internet. Ich bin glücklich, dass ich mich davon unabhängig gemacht habe. Meine Arbeit funktioniert ganz ohne Laptop - das ist bei der neuen Generation wohl nicht so. Die Praktikanten, die bei mir anfangen, kommen alle ins Büro und bemerken, dass es "nichts" gibt - keinen Computer oder Digital-Screen. Also müssen sie sich anstrengen und miteinander kommunizieren. Nach einem Monat haben sie neue Sachen gelernt: Sie müssen mit den Künstlern und Gästen reden, sie müssen sich untereinander verständigen, Dinge werden per Hand mitnotiert. Dadurch erlernen Sie mehr Offenheit und Flexibilität.
Sie veranstalten oft kulturell vielfältige Projekte. Heute würde man dafür den Begriff "Integration" oder "Multi-Kulti" verwenden.
Ganz genau. Ich empfinde solche Projekte als normal und selbstverständlich. Das Wort Integration nehme ich fast nie in den Mund. Ich veranstalte oft Auftritte, die dieses Thema sehr subtil behandeln. Dabei sitzen sehr viele sogenannte Autochthone im Publikum. Das an Integration aufzuhängen ist meiner Meinung nach nicht fortschrittlich. Damit wird wieder ein Unterschied festgemacht. Ich selbst sehe mich auch nicht als "Zugroaste."
Was würden Sie sich für Wien noch wünschen?
Ich würde gerne ein paar Straßen-Projekte initiieren - bei freiem Eintritt. Ich würde mir vielleicht auch wünschen, dass man sich der Umgebung mehr anpasst und aus dem festgefahrenen Rahmen ausbricht. Nicht sagen: "Dass war schon immer so und so soll es auch bleiben." Sondern: "Was ist neu? Wie ist Wien heute gesellschaftlich, kulturell beschaffen?" Auch der Jugend mehr kulturelle Möglichkeiten bieten.