In der Diskussion um die Skinhead-Reportage im ORF marschierte die Wiener Neustädter Staatsanwaltschaft auf den Küniglberg und forderte die Herausgabe des Bild- und Ton-Materials. Das bekam sie zwar nicht, dennoch betritt die Justiz dünnes Eis.
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Österreich garantiert die Informations- und Meinungsfreiheit. Das Redaktionsgeheimnis, das im Mediengesetz verankert ist, ist eine der gesetzlich anerkannten Verschwiegenheitspflichten, auf die sich auch Ärzte oder Anwälte berufen können. Informanten müssen geschützt bleiben, sonst ist es aus mit dem Aufdecken von Skandalen.
Dem Magazin "News" wurde - per einstweiliger Verfügung - verboten, aus den Akten zur Hypo Alpe Adria zu zitieren. Grund: Gefährdung der Bank. Die Akten waren einem Kollegen zugespielt worden. Das kann man richtig oder falsch finden. Er hat sie. Der verstorbene Kollege Alfred Worm zitierte ständig aus solchen Gerichtsakten und brachte damit so manchen Skandal ans Tageslicht.
Die Beispiele zeigen, dass die Justiz gut beraten wäre, sich auf die Fundamente des Rechtsstaates zu besinnen. Hinsichtlich der ORF-Reportage gibt es sogar Aussagen eines der betroffenen Jugendlichen, wonach er von der Polizei zu seinen Aussagen gezwungen worden sein soll. Sollte das stimmen (die Polizei gibt dazu keinen Kommentar ab), wäre die Aktion der Staatsanwaltschaft gegen den ORF auf Basis falscher Ermittlungen zustande gekommen. Wenn die Verfassung noch etwas gilt, kann es wohl nur eine Entscheidung geben: Das Redaktionsgeheimnis ist das - rechtlich gesehen - höhere Gut.
Dass die in der TV-Reportage ins ultrarechte Eck gerückte FPÖ in ihren Attacken gegen den ORF ebenfalls aus Ermittlungsprotokollen zitiert, vermittelt den Eindruck, dass die Justiz hier mit zweierlei Maß misst. Die Justizministerin, die Regierung insgesamt und der Bundespräsident sind aufgefordert, dazu Stellung zu beziehen. Die Verfassung ist für alle da, nicht für einige. (Übrigens kann sich auch die FPÖ bei der Frage, woher sie diese Zitate hat - mit Recht - auf das Redaktionsgeheimnis berufen.)
Der vom BZÖ geforderte Untersuchungsausschuss wäre übrigens keine schlechte Idee. Denn er würde wenigstens eine Debatte in Gang setzen über die Unantastbarkeit der Verfassung. Und das würde dem Rechtsstaat Österreich durchaus gut tun.
Siehe auch:Nach Skinhead-Reportage: Polizei unter Druck