Soziale Treffsicherheit versus sozialer Abbau: Es waren keine neuen Bezeichnungen, die Regierungsparteien und Opposition im Zuge der Nationalrats-Debatte um das Budgetbegleitgesetz erfanden. Das rund 90 Gesetzesänderungen zusammenfassende Gesetz stand gestern als einziger Punkt auf dem Programm; die darin enthaltenen Sparmaßnahmen sorgen seit Monaten für heftige Diskussionen.
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Es geht um 30 Milliarden Schilling. Mehreinnahmen in dieser Höhe sollen die rund 90 Gesetzesänderungen der Regierung im kommenden Jahr bringen. Hinzu kommen etwa drei Milliarden S an Ausgabeneinsparungen.
Der Beschluss des Budgetbegleitgesetzes war gestern der erste Schritt zur Beschlussfassung des Budgets 2001 am 6. Dezember. Darin enthalten sind sowohl Steuermaßnahmen als auch Kürzungen im Sozialbereich oder der Arbeitsmarktförderung sowie Studienbeihilfen. Für Kontroversen sorgten diese Themen bereits in den vergangenen Wochen, dementsprechend unruhig ging es gestern bei den Debatten im Nationalrat zu. Allein die Zahl der RednerInnen - rund 70 Abgeordnete hatten sich zu Wort gemeldet - ließen schon am Vormittag auf einen langen Arbeitstag einiger MandatarInnen schließen.
Als Auftaktredner übte SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer gleich scharfe Kritik an den Vorschlägen der Regierung. Es handle sich dabei nicht um einen Reform- sondern einen "Sparkurs der sozialen Härte", bei dem die Regierungsparteien dem Druck der Superreichen nachgegeben hätten und den sozial Schwachen gegenüber hart geblieben seien. Gusenbauer verwies darauf, dass es das erste Budgetbegleitgesetz sei, das konsenslos ins Parlament eingebracht werde und schloss seine Rede mit einem Antrag auf eine Volksabstimmung zu dem Gesetz.
Finanzminister Karl-Heinz Grasser sieht die Sache erwartungsgemäß anders. Die Regierung gehe einen "sehr, sehr klugen Konsolidierungskurs", das Budgetbegleitgesetz zeige "enorm hohe soziale Verträglichkeit". Er empfahl der Opposition zuzustimmen, wenn sie "nicht weiterhin für Schulden und die Belastung unserer Kinder und Enkelkinder stehen", sondern am "Erfolgsweg" teilnehmen wolle. Die Koalition habe nach "den Grundsätzen Gerechtigkeit und internationale Zielsetzung" - also Angleichung an die EU - gehandelt.
Unbehagen verspürt hingegen Grassers Vorgänger, SP-Finanzsprecher Rudolf Edlinger. "Es wird kalt in unserem Land", meinte er und rechnete vor: Jede/r Österreicher/in werde um 40 Schilling täglich mehr Steuern zahlen müssen als im Vorjahr.
Den Behauptungen des freiheitlichen Sozialsprechers, Reinhart Gaugg, der zuvor seine Freude über die Abschaffung der Wartefrist beim Arbeitslosengeld äußerte, widersprach Grün-Sozialsprecher Karl Öllinger. Immerhin sei Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) mit einer Ermächtigungsverordnung für eine nachträgliche Einführung ausgestattet worden. Mit dem Vorhaben, die Budgetkonsolidierung ausgabenseitig zu gestalten und eine strukturelle Sanierung zu ermöglichen, sei die Regierung gescheitert. Bartenstein entgegnete, dass er die Verordnungsermächtigung nicht einsetzen wolle. Die Vereinbarung der Sozialpartner sei aber "zu unverbindlich".
Sozialminister Herbert Haupt wies die SPÖ-Kritik an der Streichung des Weiterbildungsgeldes nach der Karenz zurück. Im Rahmen der neuen Karenzgeldregelung werde es die Möglichkeit zusätzlicher Aus- und Weiterbildung geben, die Zuverdienstgrenze werde ausgeweitet. Er wolle die Beschäftigung der Frauen vor allem auch in höher qualifizierten Berufen ausbauen.
In einen großen Rahmen stellte VP-Finanzsprecher Günter Stummvoll das finanzielle Programm. Das Budgetbegleitgesetz bildet für ihn das Zeichen einer "historischen Trendkorrektur" in der Budgetpolitik. Nicht minder eindringlich gestalten sich die Warnungen der Opposition: Was die SPÖ als "furchterregende Kaltschnäuzigkeit" bezeichnet, ist für die Grünen "soziale Ignoranz" der Bundesregierung.