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Es gibt Fixpunkt im Leben jedes Menschen, an dem er oder sie die eigene Entwicklung beobachten kann. Der Muttertag ist so einer. Wie man ihn begeht, wandelt sich im Laufe der Jahre mehrmals. Vom aufgeregten Kind und den ersten Gehversuchen im bewussten Geben; über den Teen, der alles unerträglich findet - und Mütter sowieso peinlich; über die junge Mutter, die still die überwältigende neue Dimension der Liebe feiert, die mit dem ersten Kind über sie hereingebrochen ist; die langjährige Mutter, die an der Verlogenheit einer heilen Familie für einen Tag verzweifelt; bis zum Erwachsenen, der dankbar die Fürsorgerolle zu übernehmen beginnt, die einst die Mutter innehatte; und der Greisin, die sich zurückgelehnt an den folgenden Generationen erfreut.
Der Muttertag hat jedoch - nicht erst seit der Regretting-Motherhood-Bewegung und jenseits des damit einhergehenden Konsumrausches - einen schlechten Ruf. Denn er ist auch ein Tag des schlechten Gewissens: Nicht der Kinder - zumindest, solange sie klein sind. Vielmehr der Väter, die ihr Wissen um die etwaige ungleiche Verteilung der elterlichen Pflichten innerhalb der Familie über die Kinder als Blitzableiter entladen. Ihr müsst heute lieb zur Mama sein! Wieso nur heute?
Dass diese Schuld weniger den Vätern als vielmehr einer Gesellschaft anzulasten ist, die diese Strukturen fördert, steht auf einem anderen Blatt. Doch sie überschattet, wozu er im Idealfall Anlass gibt: Dass Menschen feiern, dass sie - und niemand anderes - es waren, die als Familie auf dieser Welt zusammengefunden haben.