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Es gibt zahlreiche Stellschrauben, um die Kluft zwischen Arm und Reich steuerlich zu verkleinern.
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Wien. Der Streit um die Vermögenssteuer, vulgo Millionärssteuer, erinnert an das Hickhack um die Gesamtschule. Die SPÖ trommelte, die ÖVP verteufelte sie. Dem Boulevard lieferte das Schlagzeilen. Doch in der Substanz blieb von dem kräftezehrenden und die Wähler ermüdenden Match kaum etwas über.
Nun heben ÖVP und SPÖ wieder Gräben aus, diesmal rund um die Einführung einer klassischen Vermögenssteuer. Der Stellungskrieg verstellt aber den Blick auf die Tatsache, dass es zig andere Optionen gibt, hohe Einkommen und Vermögen zu besteuern - so wie es auch in der Schule nicht nur einen Weg zum Erfolg gibt.
Neue vermögensbezogene Steuern führten ÖVP und SPÖ 2012 ohne große Reiberei gemeinsam ein. Darunter fällt die Kapitalertragsteuer (KESt) auf Immobilien und die Wertpapier-KESt. "Ihre Einführung hat eine Steuerlücke geschlossen, weil vorher die Veräußerungsgewinne nach einer Spekulationsfrist steuerfrei waren. Insofern werden Vermögende, die mehr Aktienpakete oder Immobilien besitzen, nun stärker belastet", sagt Margit Schratzenstaller, Steuerexpertin des Wirtschaftsforschungsinstitutes.
Zur Debatte meint sie: "Der Fokus auf die Millionärssteuer greift zu kurz, da es viele Ansätze zur Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen gibt: die Erbschaftsteuer, eine höhere, sozial gestaffelte Grundsteuer oder eine höhere KESt. Denn auch das beträfe Vermögende stärker."
Harald Waiglein, Sektionschef im Finanzministerium, weist darauf hin, dass die neu eingeführte Immo-KESt und Wertpapier-KESt in der Statistik als Einkommensteuer gezählt werden. In der roten Gerechtigkeits-Logik fallen sie freilich unter vermögensbezogene Steuern. Deswegen schränkt der reine Blick auf die Vermögenssteuerstatistik der OECD das Sichtfeld ein. In der ersten Amtszeit hat die Regierung bei Stiftungen steuerlich nachgelegt. Dort sind eindeutig die Reichen zu Hause. Da Stiftungen aber juristische Personen sind, fallen die Mehrerträge unter die Körperschaftsteuer.
Auch die Gewerkschaft wirft längst einen viel breiteren Blick auf das Thema. Sie drängt zwar vehement auf "Reichensteuern", damit im Gegenzug die "Hackler" weniger Steuern auf ihre Löhne abdrücken müssen, legt sich aber nicht apodiktisch auf die klassische Vermögenssteuer fest. Ein hochrangiger Gewerkschafter zählt auf, was die für den ÖGB noch alles unter Vermögenssteuern fällt (er will lieber anonym bleiben): Eine höhere Grundsteuer, Grunderwerbssteuer, eine Abgabe auf Umwidmungen etwa von Ackergrund auf Bauland oder auch eine höhere "Luxus"-Mehrwertsteuer auf gewisse Güter.
Die Gewerkschaft zieht auch die Trennlinie zwischen klassischen Vermögenssteuern und Kapitalsteuern nicht so scharf. "Kapitalisten" zahlen in Summe naturgemäß mehr Kapitalsteuern. So gilt in der Gewerkschaft auch eine Anhebung der klassischen Kapitalertragssteuer - derzeit eine 25-prozentige Flat-Tax - als Option. Schratzenstaller sieht darin Vorteile gegenüber einer klassischen Vermögenssteuer. "Kommt zusätzlich zur KESt eine Vermögenssteuer, ist es eine Doppelbesteuerung. Es wird von beiden Seiten geknabbert, da ich vom Vermögensertrag die Vermögenssteuer bezahle, dieser aber auch der KESt unterliegt. Dabei könnte man mit einer höheren KESt bis zu einem gewissen Grad eine idente Situation herstellen."
Auch bei Immobilien würde eine Vermögenssteuer zur Doppelbesteuerung führen. Es fällt nämlich bereits die Grundsteuer an. Diese ist seit 1972 eingefroren und bringt vergleichsweise marginale Erträge. Eine Erhöhung träfe Vermögende besonders, wäre aber auch für den Rest der Hausbesitzer spürbar. Deswegen hält die SPÖ an der sexy Millionärssteuer fest - mit dem Risiko eines Gesamtschulen-Schicksals.