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Sein oder eben nicht sein

Von Walter Hämmerle

Analysen

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Die Wiener ÖVP hat einen neuen Obmann. Immerhin. An ihrem Elend im urbanen Raum bleibt damit allerdings alles beim Alten.

In unserer massenmedial getriebenen Parteiendemokratie gibt es zwei Wege, die zum Erfolg führen können: Entweder eine politische Bewegung verfügt über die Themen, die die Menschen bewegen, oder über Köpfe, die Selbiges (oder zumindest Ähnliches) zu vollbringen imstande sind. Die Wiener ÖVP hat weder das eine noch das andere. Allenfalls in einigen Nischen des Verbändestaates vermochte sie den kontinuierlichen Verlust an Stimmenkraft in Grenzen zu halten.

Die Lufthoheit über der Wirtschaftskammer ist ein Beispiel. Tatsächlich verleiht die Herrschaft über ein Interesseninstrument durchaus reale Macht in einem Land, in dem der kammerwirtschaftliche Abtausch zum Kern politischer Kultur gehört. Nur Stimmen lassen sich auf diese Weise nicht gewinnen, jedenfalls nicht genügend - und allein darauf kommt es in einer repräsentativen Demokratie an.

Möglich, dass das Gefühl, ein kleines Königreich sein Eigen nennen zu können, das Gespür für das wirklich Wichtige, die allgemeine Wahl, beeinträchtigt. Manch schwarzer Bezirkskaiser erliegt diesem fatalen Denkfehler, dabei verdankt er sein Amt längst nur noch dem Glück einer immer knapper werdenden relativen Mehrheit, die wiederum einzig der lokalen soziodemographischen Verzerrung geschuldet ist.

Mittlerweile hat sich für die Wiener ÖVP auch die Hoffnung zerschlagen, die rot-grüne Stadtregierung könnte ihren Karren aus dem Dreck ziehen. Nicht wenige glaubten schließlich, als Christine Marek von Michael Häupl verschmäht wurde, die Premiere eines linken Stadtbündnisses würde der ÖVP die bürgerlichen Wähler Wiens nur so zutreiben. Deren Gebührenerhöhungen hätten durchaus das Potenzial dazu - allein, die Nutznießer sitzen in den Reihen der Freiheitlichen.

Daher gilt: Entweder die Wiener ÖVP findet selbst eine positive Antwort auf die seit Jahren offene Frage nach ihrer "raison d’etre" - oder sie wird verschwinden. Auf den neuen Obmann Manfred Juraczka wartet eine angesichts der Strukturen der Partei beachtliche Aufgabe.

Bundesobmann Michael Spindelegger versucht derweil, sein eigenes Schicksal von jenem der Stadtpartei so weit wir irgend möglich zu entkoppeln. Mit seiner Beförderung für Sebastian Kurz zum Integrationsstaatssekretär schmiedet er auf Bundesebene sein eigenes Wiener Eisen. Ob es auch ausreichend Härte hat, wird sich bei der Nationalratswahl 2013 weisen, wo sich Kurz wohl als Wiener Spitzenkandidat beweisen muss.