AKP steht für Orientierung an EU. | Nächste Hürde: Präsidentenwahl. | Sogar der Vatikan hat gratuliert. Der Wahlsieg der AKP sei das "bestmögliche Ergebnis für Europa und die christlichen Kirchen", hieß es aus Rom. Glückwunschtelegramme aus europäischen Hauptstädten trafen in Ankara ein, die EU-Kommission zeigte sich erfreut und der Europarat "beeindruckt" ob der Organisation und der Durchführung der Parlamentswahl, die "zweifellos frei" gewesen sei. Kaum verhüllt war die Freude über das sensationelle Abschneiden einer Partei, die ihre Wurzeln im politischen Islam hat.
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Denn unter Premier Recep Tayyip Erdogan hat die Regierung das Land mehr reformiert als ihre säkulären Vorgängerinnen zuvor. Sie hat mit ihrer wirtschaftsfreundlichen Politik auch bei ausländischen Investoren gepunktet. Sie hat Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union begonnen. Damit hat sie das Ideal Atatürks, eine Orientierung nach dem Westen, vorangetrieben - und zwar mehr als die kemalistische CHP, die sich das Erbe des Staatsgründers auf die Fahnen heftet. Aber genauso wie die MHP schlägt die CHP nationalistische Töne an und wettert gegen Einmischung von außen, also auch von der Europäischen Union. Für die Beibehaltung des EU-Kurses der Türkei - und das weiß auch Brüssel - war ein Sieg der AKP schlicht notwendig.
Doch nun ist Erdogan nicht nur unter Druck der EU, weitere Reformen durchzusetzen. Zur Prüfung wird auch die Wahl eines neuen Präsidenten. Am letzten - gescheiterten - Versuch eines Votums im Parlament hat sich die jüngste Staatskrise entzündet. Für die Säkularisten und die Militärs war die Vorstellung eines AKP-Präsidenten, dessen Ehefrau ein Kopftuch trägt, ein Horrorszenario. Sie warnten vor einer Aushöhlung des Staates durch Islamisten. Um den Streit nicht wieder aufbrechen zu lassen, könnte Erdogan im Herbst einen Konsenskandidaten statt Außenminister Abdullah Gül aufstellen. Dies hat er bereits angedeutet.
Auch wenn der Wahlkampf von einer Debatte um die künftige Ausrichtung der Türkei im Inneren dominiert war - das einfache Schwarz-Weiß-Bild der Säkularisten gegen Islamisten reicht nicht aus. Denn die AKP haben keineswegs nur Schnurrbartträger und Frauen mit Kopftuch gewählt, wie es das Klischee will. Auch zahlreiche Vertreter religiöser Minderheiten und unterschiedlicher Volksgruppen haben ihre Stimme für die Regierungspartei abgegeben. Ebenso goutierte der Mittelstand die wirtschaftliche Entwicklung unter Erdogan. Und für manch anderen war die AKP einfach das geringere Übel als die Nationalisten.
Einige türkische Kommentatoren orten auch eine Absage der Bevölkerung an die Armee, die der AKP mit größtem Misstrauen begegnet. Statt Warnungen an die Regierung abzugeben, sollten sich die Militärs aus der Politik raushalten - wie es sich für einen demokratischen Staat gehört.
Die im Wahlkampf hochstilisierte Polarisierung des Landes abzufangen, gehört nun zu den größten Herausforderungen Erdogans. Er muss einen Ausgleich zwischen den Anforderungen unterschiedlicher Gesellschaftsschichten suchen. Für diesen Auftrag wurde die AKP mit einem größeren Stimmenzuwachs bestätigt als jede andere Regierungspartei in den vergangenen fünfzig Jahren.