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Seit 13 Jahren Minister - Urgestein Bartenstein setzte diesmal auf die Kraft der Sozialpartner

Von Stefan Melichar

Politik

Die wirtschaftspolitischen Zielvorgaben der im Ableben befindlichen großen Koalition lassen sich in vielen Bereichen auf ein Wort reduzieren: Vollbeschäftigung. Angesichts der immer deutlicher zu Tage tretenden Konjunkturflaute dürfte Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein (ÖVP) diesem Ziel jedoch vergeblich hinterher gelaufen sein.


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Trotz eines kräftigen Wirtschaftswachstums in den Jahren 2006 und 2007 wollte die Arbeitslosenrate nach EU-Berechnungen bisher partout nicht unter die magische Grenze von vier Prozent sinken, ab der die Politik von Vollbeschäftigung spricht. Da halfen auch zwei witterungsmäßig - vor allem für die Bauwirtschaft - besonders günstige Winter nichts. Kürzlich ist die Quote sogar von 4,1 auf 4,2 Prozent gestiegen. Glaubt man Experten, wird in naher Zukunft auch die absolute Zahl der Job-Suchenden erstmals seit zweieinhalb Jahren wieder wachsen.

Nichtsdestoweniger ist in der vergangenen - deutlich abgekürzten - Legislaturperiode einiges in Sachen Arbeitsmarktpolitik erledigt worden: So gibt es etwa seit 1. Jänner 2008 flexiblere Arbeitszeiten. Freie Dienstnehmer - und auf freiwilliger Basis auch Selbständige - sind in die Arbeitslosenversicherung und in das Abfertigungs-System einbezogen worden.

Dauerclinch mit SPÖ

Ein Paket zur Lehrlingsausbildung und Förderung der Jugendbeschäftigung wird gerade umgesetzt, eines zugunsten älterer Arbeitnehmer ist weitgehend ausgearbeitet, jedoch im Neuwahl-Trubel stecken geblieben.

Bartenstein - einst Einfädler jener schwarz-blauen Bundesregierung, unter der die Sozialpartner viel an Bedeutung eingebüßt hatten - setzte diesmal geschickt auf die Kraft der wiedererstarkten Nebenregierung aus Kammern und Gewerkschaftsbund: Kaum eine der oben genannten Maßnahmen beruht nicht auf einer Sozialpartnereinigung.

Allerdings hat es der steirische Großindustrielle (Lannacher Heilmittel) verstanden, sich gegebenenfalls in Detailfragen über die Wünsche der Interessensvertretungen hinweg zu setzen. So hat er - in Zusammenhang mit der Debatte rund um den Fachkräftemangel - die Grenzen für Arbeitnehmer aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten in Osteuropa rascher zu öffnen begonnen, als es im Sozialpartner-Kosens möglich gewesen wäre.

Besonders konfliktfreudig zeigte sich das Regierungs-Urgestein (Bartenstein ist seit 1995 Minister) jedoch gegenüber dem Koalitionspartner SPÖ. Nach einem monatelangen Hickhack mit Sozialminister Erwin Buchinger sind zwar einige Probleme des Pflege-Systems gelöst. Ob dieses jedoch auf eine nachhaltige Basis gestellt werden konnte, wird vielerorts bezweifelt. Auch in der Pensionsdebatte prallten Bartenstein und Buchinger aufeinander. Die Verlängerung der sogenannten Hacklerregelung, durch die Langzeitversicherte vorzeitig ohne Abschläge in Pension gehen können, wird möglicherweise aber doch noch vor der Wahl beschlossen.

Gleich zweimal gescheitert ist der Wirtschaftsminister mit einer Reform des Wettbewerbsrechts. Bis zuletzt biss er hier bei Justizministerin Maria Berger (SPÖ) auf Granit. Doch noch abgeschlossen hat Bartenstein hingegen die lang diskutierte Novelle des Ökostromgesetzes - auch wenn diese gleich wieder Kritik hervorgerufen hat.

Bei Inflation unter Druck

In Sachen Energiewirtschaft ließ Bartenstein mit dem Ruf nach einer Privatisierung der dem Wirtschaftsministerium unterstellten Verbund-Gesellschaft aufhorchen. Strenge Pläne der EU-Kommission für mehr Wettbewerb unter den Energieversorgern lehnte er ab.

Zuletzt ist der Minister wiederholt im Rahmen der Teuerungs-Debatte unter Druck geraten. Die SPÖ wirft ihm hier Untätigkeit vor. Auf Drängen der Arbeiterkammer hat Bartenstein eine Preiskommission für den Lebensmittelhandel einberufen. Die Minerölwirtschaft will er zu mehr Transparenz an den Zapfsäulen verpflichten.

analyse@wienerzeitung.at