Zum Hauptinhalt springen

Seit 40 Jahren die Karotte vor der Nase

Von Walter Hämmerle

Politik

+++ Ulrike Lunacek im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". | Grüne Außenpolitikerin befürwortet Türkei-Beitritt. | Chancen sind größer als die Risiken. | "Wiener Zeitung": Die Grünen sind für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Warum zählt das Nein einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung in dieser Frage nicht?


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Ulrike Lunacek: Die Grünen haben sich nie an die Meinung der Mehrheit gehalten, sonst würde es uns als Partei gar nicht geben. Auch bei den Grünen ist niemand euphorisch, aber aus heutiger Sicht sind wir davon überzeugt, dass die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Ziel eines Beitritts sinnvoll ist. Ob es auch tatsächlich dazu kommt, ist eine ganz andere Frage. Das hängt vom Reformwillen der Türkei ab.

Warum zeigt man in der Frage nicht jene politische Flexibilität, die die EU sonst auszeichnet?

Der Türkei wurde 40 Jahre lang die Karotte eines Beitritts vor die Nase gehalten. Erst durch diese Perspektive wurden in den letzten Jahren Reformfortschritte erreicht, die zuvor niemand für möglich gehalten hätte. Diese zwei Argumente zählen für mich. Außerdem würde bei einem Nein die Glaubwürdigkeit der EU nach außen weiteren Schaden nehmen.

Die Gefahr, dass die EU durch diesen Schritt selbst Gefahr läuft, größeren Schaden zu nehmen, nehmen Sie in Kauf?

Dass nun Populisten darauf herumreiten und das zu Wahlkampfthemen machen werden, ist mir bewusst. Aber es ist nicht Aufgabe der Grünen, darauf Rücksicht zu nehmen.

Sind alle Gegner automatisch Populisten?

Nein, auch mir sind die Probleme bewusst. Aber noch einmal: Die Chancen, dass die Türkei sich zu einer Demokratie westlichen Zuschnitts entwickelt, sind derzeit größer als die Risiken. Wenn sich das ändert, werde auch ich meine Meinung ändern.

Wo soll die EU enden?

Die Ukraine muss sicherlich eine Beitrittsperspektive erhalten, und natürlich der westliche Balkan - und zwar alle Länder, nicht nur Kroatien.

Wenn die Türkei, warum nicht Israel?

Israel ist ein ganz anderes Kapitel, man kann nicht unendlich weitermachen.