Der Streit um die Kanzlerkandidatur ließ CDU und CSU in Umfragen abstürzen, die Grünen führen. Anstatt sich an der Öko-Partei zu orientieren, sollten Nicht- und AfD-Wähler angesprochen werden, fordert die konservative Werteunion.
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Ruhe nach dem Sturm um die Kanzlerkandidatur kehrt nicht ein bei CDU und CSU. Denn die Schäden des ruinösen Wettkampfes zwischen CDU-Chef Armin Laschet um dem letztlich unterlegenen CSU-Vorsitzenden Markus Söder schlagen bereits voll auf die Umfragewerte durch: Fünf Monate vor der Bundestagswahl würden nur noch 21 Prozent der Deutschen der konservativen Union ihre Stimme geben. Die Grünen liegen mit 28 Prozent klar in Führung. "Die Union ist ganz klar gespalten", sagt auch Ulrich Link.
Der Vorsitzende der Werteunion im Bundesland Sachsen verweist auf Laschets Ansage, als er im Jänner zum CDU-Chef gewählt worden ist: Der wertkonservative und wirtschaftsliberale Flügel sollte wieder stärker eingebunden werden. Das wäre ganz im Sinne der Werteunion, die sich als "konservative Basisbewegung" von CDU und CSU sieht. Ihr gehören deutschlandweit zwar nur 4.200 Mitglieder an - die Unionsparteien kommen gemeinsam auf rund 545.000. Aber die Werteunion ist eine laute öffentliche Stimme im öffentlichen Richtungsstreit.
Sie zielt vor allem auf Konservative, die zur AfD abgewandert sind oder ins Lager der Nichtwähler. Bei der Landtagswahl 2018 schielte Markus Söder auf diese Zielgruppe - und verschreckte bürgerlich-liberale Wähler, die dann Grün wählten. Seitdem umgarnt Bayerns Ministerpräsident die Wähler der Öko-Partei. "Vor drei Jahren hätte ich gesagt, Söder hat Profil und klare Positionen. Mittlerweile haben wir einen anderen Söder kennengelernt, der meint, wer Merkels Stimmen möchte (die Kanzlerin kandidiert im Herbst nicht mehr, Anm.), müsse Merkels Politik fortsetzen. Genau dadurch ist vieles falsch gelaufen", kritisiert Ulrich Link.
Wie jede Volkspartei muss auch die Union inhaltliche Positionen austarieren, die ideologisch schwer vereinbar sind zwischen den drei Flügeln der Christlich-Sozialen, Wirtschaftsliberalen und Wertkonservativen. Mit den Grünen steht die Union in den westlichen Bundesländern im Wettstreit um die Spitze, während im Osten die AfD weiterhin stark ist. So kam die Partei in Links Heimat Sachsen bei der Landtagswahl 2019 auf 27,5 Prozent. Die Größenverhältnisse sind jedoch klar: Im Westen leben rund 70 Millionen, im Osten sind es 12,5 Millionen. In Summe sind somit wesentlich mehr Stimmen im Mitte-Lager zu holen.
Das bezeichnet Ulrich Link als "den großen Denkfehler, den Merkel eingeführt hat. Die CDU läuft seit Jahren nur noch den Demoskopen nach. Ich erwarte von einer Partei, dass sie gestaltet und den Wählern Angebote macht, anstatt Stimmungen nachzurennen." Der Vertreter der Werteunion verweist auch darauf, dass die theoretisch größte Fraktion im Bundestag die Nichtwähler bilden - und zwar im Westen wie im Osten. Ein sehr großer Teil von ihnen habe früher die Union gewählt. Ziel der Werteunion ist daher unverändert, diese Wähler zurückzugewinnen.
"Binnen vier Jahren wirtschaftlich ruiniert"
Zusätzlich böte sich derzeit eine "Superchance, denn die AfD zerlegt sich". Sie bekommt ihre Flügelkämpfe nicht in den Griff, und den Nationalpopulisten droht, als Verdachtsfall rechtsextremistischer Bestrebungen durch den Verfassungsschutz klassifiziert zu werden. Miserable Ergebnisse bei zwei Landtagswahlen dieses Jahr waren bereits die Folge - allerdings im Westen der Bundesrepublik.
Damit CDU und CSU erfolgreich sind, müssten sie Link zufolge drei große Veränderungen vornehmen: Die Wirtschaft solle mehr Spielraum erhalten, anstatt gegängelt zu werden. Die soziale Marktwirtschaft müsse wieder gelebt werden. Als Negativbeispiel führt er das Gesetz über internatonale Lieferketten an. Die Bundesregierung will so bei den globalen Produktionsschritten deutscher Unternehmen Kinder- und Zwangsarbeit verhindern sowie für Mensch und Umwelt gefährliche Stoffe verbieten. Eine EU-weite Regelung gibt es noch nicht, Deutschland prescht mit einem nationalen Gesetz vor. Die Werteunion fürchtet daher massive Wettbewerbsnachteile.
Zum Zweiten fordert Link Rechtsstaatlichkeit bei Zuwanderung und EU-Fragen ein. Die Vergemeinschaftung von Schulden, beispielsweise durch den 750-Milliarden-Aufbaufonds, sei gemäß den Unionsverträgen nicht zulässig. Allerdings lehnte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Mittwoch eine Klage gegen die Beteiligung Deutschlands ab.
Der dritte Punkt betrifft eine Wende in der Energiepolitik. Bestimmte Technologien sollten nicht mehr aus ideologischen Gründen ausgeschlossen werden - also auch nicht Atomkraft. Link verweist auf Arbeiten zur neuen Generation von Meilern. Forschung dazu müsste auch in Deutschland vorangetrieben werden. "Wir waren einst Technologieführer. Wo stehen wir heute, auch in der IT?", klagt Link.
Noch schlimmer könne es ihm zufolge kommen, wenn es eine Mehrheit abseits der Union gibt. "Rot-Rot-Grün würde in vier Jahren schaffen, wozu die SED in der DDR 40 Jahre gebraucht hat: das Land wirtschaftlich zu ruinieren." Deswegen will Link auch nicht ausschließen, dass die Union als Juniorpartner in eine grün-geführte Regierung geht, anstatt in die Opposition zu wechseln. Er verweist auf das aktuelle Koalitionsprogramm, das maßgeblich Positionen des kleinen Partners beinhaltet.
"Die Werteunion wird aber alles unternehmen, damit eine solche Konstellation nicht eintritt", kündigt Link an. Um Gefahr abzuwenden, sei die Werteunion auch bereit, im Wahlkampf für Laschet "zu laufen", wenn dieser konservativen Wählern attraktive Angebote macht. "Auch wenn wir mit der jetzigen Situation alles andere als glücklich sind", gesteht Ulrich Link unumwunden ein.