Vaduz - Er gehört zu den wenig bekannten Monarchen Europas, hat aber mehr Befugnisse als fast alle seiner hochadeligen Amtskollegen: Das Staatsoberhaupt des Fürstentums Liechtenstein, Fürst Hans-Adam II., ist in seinem "Ländle" mit rund 32.000 Untertanen nicht nur der "Grüß-August", wie er selbst gern Monarchen mit rein repräsentativen Aufgaben nennt. Er hat eine Fülle von Macht. Und die wolle er noch mehren, werfen Kritiker dem agilen 57-Jährigen vor, der seinem Staat partout eine neue Verfassung geben will.
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Zehn Jahre währt das Ringen zwischen Parlament und Fürst um eine neue Verfassung nun schon - Zeit für eine Entscheidung, findet der Monarch. Und da Hans-Adam in der "konstitutionellen Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage" niemandem eine neue Grundordnung aufzwingen kann, setzt er nach mehreren Schlappen im Parlament jetzt auf Volkes Stimme und will ein Referendum in Gang setzen. Es könnte die letzte und beste Chance des Fürsten sein, gegen dessen Pläne auch mehrere frühere Regierungschefs Sturm laufen.
Begonnen hat der erbitterte Streit 1992 mit der Auseinandersetzung zwischen Fürst und Parlament über einen Termin zum Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Er drohte mit der Absetzung der Regierung und Übernahme der Amtsgeschäfte per Notrecht. Das aber erlaubt die seit 1921 geltende Verfassung nicht. Seither plant der Fürst eine neue Verfassung - unter anderem mit seinem Recht der Regierungsabsetzung und einem bis zu sechsmonatigen Notrecht.
Gemeinsam mit Erbprinz Alois (34) hat er Anfang August ein "Initiativbegehren zur Abänderung der Verfassung" bei der Regierung angemeldet. Ziel ist eine Volksabstimmung. Bis es dazu kommt, muss nach Angaben einer Regierungssprecherin der Antrag von Regierung und Landtag geprüft und per Unterschriftensammlung von 1.500 Befürwortern gebilligt werden. Zur Verfassungsabstimmung selbst komme es kaum vor dem nächsten Frühjahr.
Seit Eingabe der Initiative regt sich heftigster Widerstand gegen den fürstlichen Wunsch nach einem Plebiszit. 28 Beschwerdeführer wandten sich ebenfalls an die Regierung und monierten in der Eingabe einen "eklatanten Verstoß" gegen die Abstimmungsfreiheit, weil der Fürst erklärt hat, er werde das Land bei einer Ablehnung in Richtung Wien verlassen. Diese immer wieder vom Fürsten angekündigte "Drohung" könnte das Volk dazu bewegen, sich gegen innere Überzeugung für die neue Verfassung auszusprechen, um nicht als Fürstentum ohne Fürst dazustehen. In ganzseitigen Zeitungsanzeigen appelliert daher das so genannte Demokratie-Sekretatiat an die Bürger, dagegen zu stimmen.
"Gegner der Monarchie" wertet der Monarch seine Kritiker ab, für die Mitglieder des Fürstenhauses "Bürger zweiter Klasse seien, denen nicht die gleichen demokratischen Rechte zustehen". Auch Regierungschef Otmar Hasler von der Fortschrittlichen Bürgerpartei (FBP) will nicht von massivem Druck sprechen. "Ich sehe in dem Initiativvorschlag des Landesfürsten keine Erpressung", sagt er, hätte sich aber eine einvernehmliche parlamentarische Lösung gewünscht.
Den Vorwurf seiner Kritiker, er wolle mit der angestrebten Verfassungsreform nur die Machtfülle auf Kosten des demokratischen Rechtsstaates ausweiten, weist Fürst Hans-Adam vehement von sich. Das Gegenteil sei der Fall. Immerhin könne nach seinem Entwurf das Volk per Mehrheitsentscheid sogar die Monarchie abschaffen und gegen den Landesfürsten einen Misstrauensantrag einbringen.
Ein Dorn im Auge ist den Kritikern des Fürsten vor allem die nach seinem Verfassungsentwurf ihm künftig zustehende Richterernennung und die Zuerkennung des bisher nur dem Landtag vorbehaltenen Rechts, die Regierung abzusetzen. Überdies seien die Abwahl der Monarchie und der Misstrauenantrag gegen den Fürsten allenfalls Scheinrechte - der Misstrauensantrag wird im Fürstenhaus verhandelt, und die Staatsform der Monarchie sei in Liechtenstein unumstritten. Ob das auch für Hans-Adam II. weiterhin gilt, wird spätestens die von ihm initiierte und als "Befreiungsschlag" titulierte Abstimmung zeigen.